Philadelphia – Im Vorfeld der Nobelpreis-Verkündungen schießen traditionell Spekulationen und Prognosen ins Kraut – dazu gehörten über viele Jahre hinweg auch die des Medienkonzerns Thomson Reuters. Das dafür – und für Analysen im Wissenschaftsbereich generell – zuständige Unternehmen Clarivate Analytics wurde 2016 ausgegliedert und hat nun wie gehabt seine Favoriten für die heurigen Preisvergaben veröffentlicht. Sie basieren auf der Häufigkeit, in der Wissenschafter in angesehenen Wissenschaftspublikationen zitiert werden.

Die Kategorien

Heiße Kandidaten für den Medizin-Nobelpreis wären laut Clarivate Analytics Minoru Kanehisa von der Universität Kyoto (Japan) für seine "Gen-Enzyklopädien", mit denen andere Forscher Daten von zellulären Prozessen vergleichen und interpretieren können, Solomon Snyder von der Johns Hopkins Uni in Baltimore (USA), der viele Neuro-Botenstoffe identifizierte, sowie Napoleone Ferrara von der University of California in San Diego (USA), der Schlüsselregulatoren der Blutbildung entdeckte, die etwa bei Krebs medikamentös gehemmt werden können.

Auch für den Physik-Nobelpreis kommen laut der Auswertung wieder viele US-Forscher in Betracht: So etwa David Awschalom und Arthur Gossard aus Chicago beziehungsweise Santa Barbara für ihre Beobachtungen, wie sich Elektronen von Magnetfeldern beeinflussen lassen, die Astrophysikerin Sandra Faber aus Santa Cruz (USA) als Pionierin für Methoden zur Alters-, Entfernungs,- und Größenbestimmung von Galaxien und die drei Materialforscher Yury Gogotsi (Drexel University, USA), Rodney Ruoff (Ulsan National Institute in Südkorea) sowie Patrice Simon (CNRS in Frankreich) für ihre Arbeiten zu Kohlenstoff-basierten Materialien bezüglich Energiespeicherung und der Funktion von Superkondensatoren.

Zu den Favoriten für den Chemie-Nobelpreis zählen laut Clarivate Analytics Eric Jacobsen von der Harvard University (USA, der katalytische Reaktionen in der organischen Synthese erforscht hat, sowie JoAnne Stubbe vom MIT (USA), die entdeckte, wieso spezielle Enzyme (Ribonukleotidreduktasen) wichtig für die Synthese und Reparatur von DNA sind. Überdies hätten George Sheldricks (Uni Göttingen) Computerprogramme "enormen Einfluss" auf die Strukturanalytik gezeigt.

Von den Wirtschaftswissenschaftern hebt Clarivate Analytics den Madrilenen Manuel Arellano (CEMFI, Spanien) und Stephen Bond von der Uni Oxford (Großbritannien) hervor, die den "Arellano-Bond-Schätzer" entwickelten, mit dem man die Entwicklung der Wirtschaft etwa bei Veränderung der politischen Rahmenbedingungen abschätzen kann. Als weitere Kandidaten für den Wirtschaftspreis werden Wesley Cohen (Duke University, USA) und Daniel Levinthal (Uni Pennsylvania, USA) genannt, die unter anderem entdeckten, wie Firmen externes Wissen evaluieren, aufnehmen und anwenden. Schließlich käme David Kreps von der Stanford Universität (USA) "für Beiträge zu dynamischen ökonomischen Phänomenen" als Preisträger in Frage.

Der Fahrplan

Die Nobelpreis-Woche beginnt am kommenden Montag (1. Oktober) mit der Bekanntgabe des oder der Medizin-Nobelpreisträger, gefolgt von Physik (2.10.) und Chemie (3.10.). Am 4. klafft die Lücke, in der normalerweise der Literaturnobelpreis verkündet würde, der heuer jedoch nach den Streitigkeiten innerhalb der Schwedischen Akademie ausgesetzt wird. Der Gewinner des Friedensnobelpreises wird am 5. Oktober verlautbart, am 8. Oktober folgt der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften.

2018 sind die Preise mit je neun Millionen schwedischen Kronen (rund 860.000 Euro) dotiert. Gibt es mehrere Preisträger, wird das Preisgeld aufgeteilt. Übergeben wird die Auszeichnung wie alle Jahre wieder am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. (red, APA, 26. 9. 2018)