
Hansi Lang zu Zeiten des Slow Clubs. Als New Waver hat er Anfang der 1980er-Jahre heimische Musikgeschichte geschrieben.
Man kann es sich angesichts heute übervoller Hosen fast nicht vorstellen, doch ein knapper Slogan wie Keine Angst traf einmal ein Lebensgefühl. Formuliert hat ihn 1982 Hansi Lang. Der war damals Ende 20 und hatte sein Herz längst unwiederbringlich an den Rock 'n' Roll verloren, hatte – rein, raus – mit der Hallucination Company gespielt.
Das war eine von Ludwig "Wickerl" Adam gegründete Band, die sich Ende der 1970er als Durchlauferhitzer für etliche Talente erwies. Falco spielte bei der Company, Günter "Mo" Mokesch, Andy Baum, Harri Stojka oder der umtriebige Thomas Rabitsch, der in diesem Eintrag noch einmal vorkommen wird.
Neu und zackig
Der Rock 'n' Roll erlebte damals gerade wieder eine Transformation. 1982 waren New Wave und NDW sogar hierzulande eingesickert, die deutsche Sprache, eine Lust am Wortwitz und die neue zackige Musik machten Mut – dementsprechend brach es aus Lang bei seiner ersten Veröffentlichung unter eigenem Namen heraus: Keine Angst.
Das Lied erschien namensgebend auf der ersten Mini-LP Langs, die auf dem damals neu gegründeten Label Schallter veröffentlicht worden war. Abgebildet in Schwarz-Weiß, lehnt der Furchtlose bloßhappert da, der Bass zeigt wie ein Phallus dorthin, wo in grellem Rot Name und Titel im Graffiti-Stil hingemalt sind.
Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" das ganze Jahr lang österreichischer Popmusik. Alben, Songs und Künstler, die die heimische Popmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt.
Schallter war der Verlag von Eberhard Forcher und Rudi Nemeczek, dem Sänger von Minisex. Das war eine der ersten auffälligen New-Wave-Bands des Landes. Sie sangen über Hektik Dialektik, das Autofahren (Ich fahre mit dem Auto) oder James Bonds unbekannte Kollegen (Du kleiner Spion).
Nicht ducken oder buckeln
Der heute langgediente Ö3-Mann Forcher wiederum war mit der Formation Tom Pettings Hertzattacken am Start und hatte 1981 mit dem Sampler WienmusikK als einer der Ersten diese neue Szene abgebildet. Hansi Lang befand sich mittendrin.
Der war eine Ausnahmeerscheinung. Das Besatzungskind aus Hernals umgab die Aura des Rock 'n' Rollers. Schon als Teenager spielte er in diversen Combos, doch es sollte bis in die Zeit der New Wave dauern, bis er richtig ankam.
Ein glaubwürdiger Übermittler
Songs wie Keine Angst oder Addio Westwelt entsprangen und entsprachen einem Lebenshunger. Das waren keine Songs, die sich jemand als Mäntelchen umhängte, das waren existenzielle Feststellungen. Hier wollte sich jemand nicht ducken, überkommenen Vorstellungen entsprechen oder sich durch den Amtsweg des Lebens buckeln: "Es ist mir egal, ob du mich für ein Schwein hältst oder abnormal", singt er in Addio Westwelt.
Bekannt wurde Lang mit dem unterkühlt-funkigen Ich spiele Leben. Das war im Land wahrscheinlich eine der besten Singles ihrer Zeit – und Lang ihr glaubwürdiger Übermittler. Ein wilder Hund, der sich dem Leben mit voller Hingabe verschrieb – leider auch den lebensverkürzenden Dingen. Innerhalb von zwei Jahren hatte er drei Hitsingles: Auf Ich spiele Leben folgte Monte Video, danach der Gemeindebau-Reggae Josefine.
Neben der Musik wurde die Schauspielerei so etwas wie ein zweites Standbein. Lang spielte in Dieter Berners Film Ich oder du und produzierte den Soundtrack. Er arbeitete mit Peter Turrini oder Peter Weibel – doch anstatt richtig groß zu werden, musste er sich drogistisch bedingt eine Auszeit nehmen. Als er Ende der 1980er wiederkehrte, veröffentlichte er ein titelloses Album, das ihn als englischsprachigen Popsänger präsentierte. Tiefes Wasser.
Überholt vom Zeitgeist
Der originäre deutschsprachige Lang war von Zeit und Trends überholt worden, um international zu reüssieren, war das Werk zu durchschnittlich, vollgestellt mit angesagten Zutaten (Saxofon, Dünnbrett-Synthie ...) – da konnte sich Lang noch so sehr ins Zeug legen.
Fünf Jahre später sang er wieder deutsch. Das Album Losgeher zeigte Lang zwar stellenweise in alter Form, das Ohr der Welt befand sich aber gerade wieder anderswo. Ein Song wie Nur du klang wie ein Austropop-Relikt aus einer anderen Zeit – selbst wenn Langs Autorität noch fast jeden Song irgendwie zu tragen vermochte. Das war wohl sein größtes Talent: eine Hingabe, in der Wesen und Talent sich gegenseitig stützten, selbst wenn die Musik stilistisch im Niemandsland hängenblieb.
Comeback mit dem Slow Club
Zum Talent kam zusehends die Aura des Tragöden. Als solchem gelang ihm 2002 ein kleines Comeback mit dem Slow Club. Das war ein Trio, das neben Lang aus Thomas Rabitsch und Wolfgang Schlögl bestand. Rabitsch war der verlässliche Freund, Schlögl von den Sofa Surfers der zeitgenössische Input. Gemeinsam verleibte man sich Klassiker des American Songbook ein. Ein Unterfangen, in dem Lang vollkommen aufging, das mit seiner Neigung und seiner Bodenhaftung im Einklang stand. Mehr noch.
In Songs wie Every Time We Say Goodbye oder Cry Me A River vermählte sich die eigene Biografie mit der Zeitlosigkeit dieser Titel – wiewohl eine richtig große Band noch größere Wirkung erzielt hätte. Ob es je dazu gekommen wäre, wissen nicht einmal die Sterne. Während der Aufnahmen zum Folgealbum House of Sleep erlitt Hansi Lang im Studio einen Schlaganfall. Am 24. August 2008 starb Lang im Alter von nur 53 Jahren. (Karl Fluch, 29.9.2018)