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Labour-Chef Jeremy Corbyn in seinem Element.

Foto: REUTERS/Hannah McKay

Aktien und Aufsichtsratssitze für Arbeitnehmer, Milliarden-Investitionen in erneuerbare Energien, höhere Sozialleistungen und Unternehmenssteuer – die britische Labour-Partei geht mit einem dezidiert linken Programm in die politische Auseinandersetzung der kommenden Monate. Zum Abschluss des Jahrestreffens in Liverpool geißelte Parteichef Jeremy Corbyn die "Gier ist geil"-Mentalität der Finanzindustrie und kritisierte die Bankenrettung nach dem globalen Crash vor einem Jahrzehnt: Die gewaltigen Wertpapierkäufe der Zentralbanken hätten "vor allem den Reichen genutzt".

Mit allen Mitteln werde sich Labour gegen einen möglichen Chaos-Brexit wehren, sagte Corbyn. Dass Premierministerin Theresa May die sogenannte No-deal-Option, also Großbritanniens Austritt Ende März ohne Anschlussvereinbarung, zunehmend für möglich erklärt, sei "unfassbar". May solle sich Labours Vorstellungen zu eigen machen: "Wir brauchen eine Zollunion und einen Deal, der Arbeitsplätze sichert." Sonst werde seine Partei im Unterhaus die Regierungspläne niederstimmen und für Neuwahlen plädieren.

Kompromiss bei Referendum

Der Streit um den besten Brexit hat die Diskussionen in Liverpool weitgehend dominiert. Am Dienstag umjubelten viele jüngere Delegierte den Brexit-Schattenminister Keir Starmer, weil dieser ausdrücklich die Option auf eine Wiederholung der Volksabstimmung offenließ. Dies entspricht einem auf Druck von 151 Ortsvereinen zustande gekommenen Kompromiss mit der EU-skeptischen Parteispitze um Corbyn und Finanzsprecher John McDonnell.

Corbyns Rede in voller Länge
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Wie schwierig die Lage für seine Partei im Parlament aussieht, skizzierte auf einer Veranstaltung am Rande des Parteitags Barry Gardiner, der in Corbyns Schattenkabinett für den Handel zuständig ist. Es sei keineswegs ausgemacht, dass Labour der Regierung ein Referendum aufzwingen könnte. Gardiners alarmierende Schlussfolgerung: "No deal ist eine echte Möglichkeit."

Im außenpolitischen Teil seiner Rede nahm Parteichef Corbyn eine Kurskorrektur vor. Anders als zuvor sprach er von "klaren Beweisen" für Russlands Urheberschaft bei dem Giftanschlag von Salisbury, verwendete aber sehr viel mehr Zeit darauf, US-Präsident Donald Trump für dessen globale Politik zu tadeln.

Unter dem Jubel der Delegierten sagte der Labour-Chef im Fall der Regierungsübernahme Palästina die Anerkennung zu. Israels Benehmen in den besetzten Gebieten sei "empörend", das neue Staatsbürgergesetz stelle eine Diskriminierung dar. Seine Partei unterstütze die Zwei-Staaten-Lösung mit Sicherheitsgarantien für beide.

Später nahm Corbyn nochmals auf den seit Monaten schwelenden Streit um die Haltung seiner Partei zu Antisemitismus Stellung. "Kampf gegen Rassismus ist ein Teil von uns", sagte er und wandte sich an die britischen Juden: "Wir sind Ihre Verbündeten." (Sebastian Borger aus Liverpool, 27.9.2018)