Boschirow und Petrow im "Russia Today"-Interview: "Die Kathedrale von Salisbury ist berühmt für ihren 123 Meter hohen Turm"

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Moskau/London – Eine Gruppe von Investigativjournalisten will die wahre Identität eines der mutmaßlichen Skripal-Attentäter enthüllt haben. Das teilte die Rechercheseite "Bellingcat" am Mittwoch mit. Demnach soll es sich bei einem Verdächtigen, der unter dem Namen Ruslan Boschirow nach Großbritannien eingereist war, in Wahrheit um einen hochdekorierten russischen Offizier namens Anatoli Tschepiga handeln.

Die britischen Ermittler werfen Boschirow und einem weiteren Russen namens Alexander Petrow vor, unter Decknamen nach Salisbury gereist zu sein und den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergei Skripal und seine Tochter Julia verübt zu haben. Weder Scotland Yard noch das britische Innenministerium wollten sich zu dem Bericht äußern.

Lawrow: Keine Beweise

Die BBC berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, es gebe "keine Kontroverse" über die Identifizierung. Die beiden Verdächtigen hatten sich Mitte September im russischen Fernsehen unter den Namen Boschirow und Petrow als Touristen vorgestellt, die wegen der "bekannten Kathedrale" und des Steinzeitmonuments Stonehenge nach England gekommen seien. Die britischen Ermittler hatten anhand von Überwachungskameras minuziös den Weg der beiden nachgezeichnet.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte abermals, dass es keine Beweise für eine Verstrickung Moskaus in den Fall gebe. "Jedes Mal, wenn etwas dazu erklärt wird, gibt es keine hundertprozentigen Beweise", sagte Lawrow.

Kein Beweis für eine Verwicklung "von irgendjemandem"

Die Veröffentlichung sei mit dem Auftritt der britischen Premierministerin Theresa May im UN-Sicherheitsrat abgestimmt gewesen, erklärte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag.

"Es gibt keinen Beweis – also setzen sie ihre Informationskampagne fort", schreib Sacharowa auf Facebook. Sacharowa bezeichnete den Bellingcat-Bericht als Ablenkungsmanöver von "der wichtigsten Frage: Was passierte in Salisbury?". Es sei noch kein Beweis für eine Verwicklung "von irgendjemandem" in den Vorfall vorgelegt worden.

Diplomatische Krise

Skripal und seine Tochter waren im März in der südenglischen Stadt Salisbury in Kontakt mit dem Gift Nowitschok gekommen und schwer erkrankt. Es dauerte Monate, bis sich beide erholten. Die britischen Strafverfolger hatten in der vergangenen Woche zwei Russen als Tatverdächtige identifiziert und international zur Fahndung ausgeschrieben. Zwei Männer sagten im russischen Fernsehen, sie seien die beiden Gesuchten, sie seien aber nicht in den Fall verwickelt, sondern hätten Salisbury als Touristen besucht. Auch Putin bezeichnete sie als Zivilisten.

Der Fall führte zu einer schweren Krise zwischen Russland und dem Westen, beide Seiten veranlassten die Ausweisung dutzender Diplomaten. Auch die USA und zahlreiche EU-Staaten zogen mit. Österreich hat sich im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten nicht an Ausweisungen russischer Diplomaten beteiligt. (APA, 26.9.2018)