Angehende Königinnen der Termitenart Glyptotermes nakajimai gründen ohne Männchen eine Kolonie.
Foto: University of Sydney

Sydney – Ob Ameisenbau oder Bienenkorb – die Insektenstaaten, die uns Mitteleuropäern vertraut sind, sind fast ausschließlich weibliche Gesellschaften. Mit Betonung auf "fast": Wenn es an den Hochzeitsflug geht, schlägt die Stunde der wenigen männlichen Staatsangehörigen, die ansonsten während ihres kurzen Lebens keine aktive Rolle in der Insektengesellschaft ausüben.

Nun berichten Forscher der Universität Sydney von einer anderen Insektenspezies, die das noch weiter getrieben hat: Bei der in Japan lebenden Termitenart Glyptotermes nakajimai gibt es Kolonien, die die Männchen komplett abgeschafft haben und dennoch gedeihen. Die Studie ist im Fachjournal "BMC Biology" erschienen.

Wege zur Staatenbildung

Während Ameisen, Bienen und Wespen eng verwandt sind, entstammen die zu den Schaben zählenden Termiten einem völlig anderen Zweig der Insektenevolution und haben dennoch eine verblüffend ähnliche Lebensweise entwickelt. Ein entscheidender Unterschied: Bei ihnen setzen sich alle Kasten – Arbeiter, Soldaten und Königspaar(e) – aus Weibchen und Männchen zusammen, auch wenn nur das Königspaar fortpflanzungsfähig ist.

Kolonien dieser herkömmlichen Art gibt es auch bei der japanischen Termite Glyptotermes nakajimai. Dazu kommen aber solche, die zu einhundert Prozent aus Weibchen bestehen und in denen die Fortpflanzung ungeschlechtlich abläuft, berichten nun Toshihisa Yashiro und Nathan Lo von der Uni Sydney. Sechs von zehn für die Studie untersuchten Kolonien bestanden ausschließlich aus Königinnen und de facto asexuellen Arbeiterinnen und Soldatinnen.

Die Königinnen dieser Kolonien trugen keine Spermien in den Organen, in denen diese normalerweise gelagert werden, ihre Eier blieben also unbefruchtet. Dennoch schlüpfte daraus genauso häufig Nachwuchs wie in gemischtgeschlechtlichen Kolonien. Aus solchen Kolonien müssen sich auch die "Frauenstaaten" ursprünglich entwickelt haben, sagt Lo, der die Entdeckung zum Anlass nimmt, die Rolle von Männchen in tierischen Gemeinschaften generell zu hinterfragen.

Bislang kein Problem

Sexuelle Vermehrung ist aufwendiger als asexuelle, bietet aber langfristige Vorteile: Die Rekombination von Erbmaterial ermöglicht die Anpassung an neue Umstände und erhöht die Chancen, neuauftretende Krankheiten abzuwehren. Zumindest für eine gewisse Zeit lässt sich aber offenbar auch gut ohne diese Absicherung leben. Laut Lo wachsen die weiblichen Insektenstaaten dank ihrer vereinfachten Fortpflanzung zweimal so schnell wie herkömmliche, was ihnen die rasche Ausbreitung in neuen und für sie geeigneten Lebensräumen ermöglicht.

Und die "gewisse Zeit" hält laut den Forscher auch schon ziemlich lange an: Wie die Untersuchung ergab, dürfte sich der Wechsel von der sexuellen zur asexuellen Fortpflanzung bereits vor einigen Millionen Jahren vollzogen haben. (red, 1. 10. 2018)