In seinem jüngsten Film "Werk ohne Autor" erzählt Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der anderen", "The Tourist") von dem aus der DDR in die BRD geflüchteten jungen Künstler Kurt Barnert, der seine Erinnerungen an die NS- und SED-Zeit in seinen Werken verarbeitet. Paula Beer, die für ihr Rolle in François Ozons "Frantz" (2016) mit dem Nachwuchsdarstellerpreis der Filmfestspiele von Venedig ausgezeichnet wurde, spielt Ellie, die Geliebte des Künstlers. Zuletzt im Kino war Beer in Christian Petzolds "Transit" zu sehen.

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Paula Beer spielt in Florian Henckel von Donnersmarcks "Werk ohne Autor" die Studentin Ellie.
Foto: REUTERS/Tony Gentile

STANDARD: Frau Beer, die Dreharbeiten zu "Werk ohne Autor" liegen schon eine ganze Weile zurück.

Beer: Ich habe Florian Henckel von Donnersmarck im Januar vor zwei Jahren zum ersten Mal getroffen, also inzwischen vor über zwei Jahren. Im Juni 2016 haben wir angefangen zu drehen.

STANDARD: Sie waren damals noch keineswegs so bekannt, wie Sie es heute – nicht zuletzt dank der Fernsehserie "Bad Banks" – sind. Mussten Sie durch ein Casting gehen?

Beer: Florian ist ein Mensch, der jede Entscheidung sehr genau überdenkt. Da ist es nur folgerichtig, dass er die Sicherheit eines Castings braucht. Und mir persönlich sind Castings immer sehr lieb. Nur so kann man herausfinden, ob man sich auch beim Arbeiten versteht, sozusagen eine Arbeitsprobe.

STANDARD: Können Sie sich an das Drehbuch erinnern? War die Geschichte, der Werdegang eines jungen Malers vor dem Hintergrund des 20. Jahrhunderts in Deutschland, bereits weitgehend ausgearbeitet?

Beer: In meiner Erinnerung hat sich da durch den Dreh nichts mehr grundlegend verändert, das stand schon sehr konkret. Das Knifflige an so einem Drehbuch ist ja, dass das ein Dokument ist von einer Idee, die der Regisseur im Kopf hat. Ich weiß noch, dass ich beim Lesen der Geschichte total mitgenommen wurde, aber noch nicht alles eingliedern konnte. Man sagt aber, wenn man Drehbücher beim ersten Mal versteht, sind es keine guten Drehbücher, dann sind sie zu erklärend. Bevor man seine Rolle zum ersten Mal in den Raum bringt, verbringt man sehr viel Zeit alleine mit seiner Rolle. Das ändert sich, sobald das Theoretische plötzlich praktisch wird. Und so ist es manchmal auch beim Drehbuchlesen. Man spürt, dass da etwas Großes schlummert, kann es aber noch nicht ganz greifen.

Trailer zu "Werk ohne Autor".
KinoCheck

STANDARD: "Werk ohne Autor" ist eine Künstlergeschichte. Hat Florian Henckel von Donnersmark auch von seiner eigenen Beziehung zu den Künsten gesprochen?

Beer: Es ist faszinierend, wie viel Wissen einem da entgegensprudelt, wenn man mit Florian arbeitet. Er ist sehr gut darin, Geschichten zu erzählen und Situationen zu schaffen, die dann dabei helfen, eine Bildhaftigkeit zu bekommen.

STANDARD: Ein wichtiger Teil des Films spielt in der DDR. Sie sind zu jung, um daran eigene Erinnerungen zu haben. Was bedeutet die deutsche Teilung für jemanden aus Ihrer Generation?

Beer: Für meine Generation ist das gar nicht mehr Thema, gerade wenn man in Berlin lebt. Die Frage "Bist du im Osten oder Westen geboren?" habe ich bisher nur von Älteren gehört. Der damalige Westen und der damalige Osten sind für mich das gleiche Neuland. Also blieb mir für die Vorbereitung nichts anderes übrig, als Feldforschung zu betreiben: Ich versuchte herauszufinden, was die Feinheiten ausmacht. Nur weil man ein paar Fakten kennt, heißt das ja nicht, dass man den Zeitgeist versteht.

STANDARD: Sie sind in "Werk ohne Autor" auffällig häufig nackt zu sehen. Wurde darüber beim Drehen gesprochen, inwieweit das erforderlich war? Aus künstlerischen Gründen?

Beer: Die Szenen zwischen Kurt und Ellie sind wie eine Insel der Liebe und Geborgenheit, wo beide Figuren Ruhe finden von einem Umfeld, das sich mehr Anpassung von ihnen wünscht. Zu zweit fühlen sie sich sicher und finden ineinander die Unterstützung, die sie brauchen. Es ist nicht nur eine stilistische Entscheidung, sondern erzählt auch ganz viel über dieses Paar und ihre Beziehung.

Trailer zu François Ozons "Frantz".
KinoCheck

STANDARD: Sie haben nach "Werk ohne Autor" mit François Ozon gearbeitet, danach mit Christian Petzold. Können Sie Vergleiche ziehen zwischen zwei so unterschiedlichen deutschen Filmemachern wie Donnersmarck und Petzold?

Beer: Das Faszinierende an der Regie ist ja, dass Regisseure einen allumfassenden Überblick haben und gleichzeitig in der Lage sein müssen, sich auf jede Kleinigkeit einzulassen. Florian kann das vermitteln, ohne erklärend zu werden, und das hat er mit Christian Petzold gemeinsam. Sie können beide eine Atmosphäre mit ein paar Worten oder kurzen Anekdoten einfangen und so spezifisch beschreiben. Sie sind in der Lage, durch Geschichten und Beschreibungen von Situationen Schauspieler zu öffnen. Florian ist ein großer Perfektionist und sucht nach dem perfekten Moment. Christian glaubt auch an die Schönheit des Unfertigen. Er lässt gerne den ersten Take stehen. Da ist man als Schauspieler irritiert und meint: Ich habe ja noch gar nicht gespielt. Er hat aber alles gesehen, was er sehen wollte.

Trailer zu "Transit".
Piffl Medien

STANDARD: Die Frage nach der Arbeitsweise stellt sich auch, weil es erstaunlich lange gedauert hat, bis "Werk ohne Autor" fertig wurde.

Beer: Florian sucht eben für alles den einen magischen Moment und hat vermutlich auch beim Schneiden nichts unversucht gelassen und wollte sich bei jeder Entscheidung zu hundert Prozent sicher sein.

STANDARD: Florian Henckel von Donnersmark steht im deutschen Kino für die Ambition, es mit Hollywood aufzunehmen. Ist das für Sie auch interessant?

Beer: Jedes Land hat seine eigene Art und Weise, Geschichten zu erzählen, in Filmen wird das ganz schnell deutlich. Man spürt die kulturellen Unterschiede, das Temperament der Filmemacher in der Thematik der Filme, der Bildgestaltung, dem Spiel der Schauspieler et cetera. Und eine neue Erzählweise ist immer spannend kennenzulernen, insofern ist das natürlich interessant. Aber mir geht es in meinem Beruf in erster Linie ums Spielen. (Bert Rebhandl, 27.9.2018)