Wien – Rund 200 Millionen Euro pro Jahr würden Facebook und Google vom österreichischen Werbemarkt absaugen. "Procter und Gamble können über eine zentrale Stelle in London den gesamten Google-Markt in Österreich buchen." Um die österreichischen Internutzer mit seiner Werbung zu erreichen, müsste man wahrscheinlich "mit 13 Leuten telefonieren", sagte Matthias Stöcher vom STANDARD am Donnerstag bei den Medientagen: "Wir hätten dann eine zentrale Stelle, wo das möglich ist."

Diese "zentrale Stelle" firmiert unter dem Titel Marketplace Austria und wird als gemeinsame Online-Vermarktungsplattform österreichischer Medienhäuser konzipiert. Werbekunden könnten dann mit einer Buchung praktisch die gesamte österreichische Nutzerschaft adressieren. Um das zu realisieren, brauche es so viele Partner wie möglich: Private und den ORF. Ein Grund ist, dass Programmatic Advertsing, also der automatisierte Ein- und Verkauf von Werbeflächen in Echtzeit, immer mehr an Fahrt gewinnt. In den USA würden bereits 80 Prozent der digitalen Werbeflächen so gebucht, im deutschsprachigen Raum immerhin rund 40 Prozent.

Offen für weitere Partner

Die Vorarbeiten für den Marketplace Austria seien bereits weit gediehen, erklärte Stöcher, der beim STANDARD für die Geschäftsfeldentwicklung digitaler Medienprodukte zuständig ist und als Koordinator des Projekts fungiert. Organisiert werden soll es als Genossenschaft. Bis Ende September haben Partner der ersten Stunde Zeit, Letters of Intent zu unterzeichnen. Mit 13 potenziellen Teilnehmern habe man geredet, zwei Drittel hätten bereits unterschrieben, sagte Stöcher. Grundsätzlich gelte: "Diese Genossenschaft soll Medien offen stehen, die in Österreich Content produzieren." Garantiert werde eine Qualität der Medien und Werbeplätze: "Die Erlöse sollen direkt bei den Medien entstehen."

"Auch Boulevard kann hochwertig sein", sagt Michael Eder von krone.at. Er stehe zwar "zu 100 Prozent" hinter einer gemeinsamen Lösung, sieht aber noch offene Punkte, die geklärt werden müssten. Etwa, wie viele Werbeplätze Medien einbringen, kartellrechtliche Fragen und "was der ORF darf". Was der ORF bis jetzt nicht darf ist Targeting, also das Zuschneiden von Werbung auf Zielgruppen. Dafür bräuchte es eine Gesetzesänderung. Oliver Böhm von der ORF Enterprise glaubt, dass der politische Wille vorhanden sei, denn: "Der ORF muss mitmachen." Zusammen kämen die Partnermedien auf 80 Prozent Nettoreichweite oder fünf Millionen österreichische User, so Böhm. Eine Masse, die sich gut monetarisieren ließe. Mittelfristig rechnet Böhm mit Einnahmen von zusätzlich rund 20 Millionen Euro jährlich.

Login-Allianz

Die Vermarktung der Werbeplätze sei aber nur ein Teil der Plattform. Ein "Consent Tool" soll allen Medien die gesetzeskonforme Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung ermöglichen. Geplant ist auch eine Login-Allianz, die Portalen etwa das Datensammeln oder die Etablierung neuer Geschäftsmodelle erleichtern soll.

Noch skeptisch zeigt sich Gerhard Riedler, Verkaufsleiter von Red Bull Media House: "Ich glaube nicht an den kaufmännischen Erfolg dieser Plattform, das sind Peanuts", meinte er. Interessant werde das Projekt allenfalls, wenn diese eine Login-Allianz inkludiere. Er begrüße den Marketplace zwar grundsätzlich, unterschreiben werde er aber jetzt noch nicht.

ORF als Zugpferd

Michael Stix von der ProSiebenSat.1Puls 4-Gruppe sah einen "ersten kleinen, aber wichtigen Schritt". Er möchte im nächsten Schritt eine europäische Login-Allianz, um einen Gegenpol zum Facebook-Login zu bauen: "Der saugt alle Daten raus." Reichweite für die Vermarktung zu generieren sei zwar schön und gut, aber: "Wir brauchen auch die Daten." Von Seiten des Privatsenderverbands VÖP bezeichnete Corinna Drumm ein verlässliches und seriöses Werbeumfeld als "USP" der geplanten Plattform. Dass der ORF mit an Bord sein möchte, ist für Drumm positiv, auch wenn noch einige Fragen zu klären seien – etwa in punkto Verteilung der Werbeerlöse. Sie betonte einmal mehr, dass der ORF als "Förderer des Medienstandortes" auftreten müsse. (omark, APA, 28.9.2018)