Die Umwelt! Das Parken! Der gefährliche Verkehr! Der Zeitverlust! Und der Wertverlust, sobald ich das erste Mal die Tür aufsperre! Es ist wirklich gegen jegliche Vernunft, in Wien ein Auto zu besitzen, ganz zu schweigen von einem neuen Modell. Noch dazu bin ich wirklich leidenschaftliche Zugfahrerin und Öffi-Enthusiastin, die das geradezu missionarisch auch allen Freunden mitteilen will. Bis ich Mitte dreißig wurde, galten Autofahrer als der Satan, als die rücksichtslose, egoistische Ausgeburt des Teufels auf vier Rädern.

Bis vor kurzem waren Autos für mich noch die Ausgeburt des Teufels auf Rädern. Und auf einmal ist alles anders.
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Seit ein paar Monaten fahre ich jedoch breit grinsend und selig mit einem nigelnagelneuen Mittelklasse-Benziner in der Gegend herum. Meine Fixausgaben im Monat haben sich ohne Schmäh um ein Drittel erhöht: Neueinstufung bei der Versicherung, Tiefgaragenplatz im 7. Bezirk, gleich ein kleiner Parkschaden und, und, und. "Wie kann man nur so deppert sein?", fragen Sie sich jetzt zu Recht in Zeiten von Carsharing und Mietautos.

Mieten ging nicht mehr

Bevor ich gekauft habe, habe ich tatsächlich viel gemietet und geshart. Das war sehr komfortabel, aber doch aufwendig. Gefühlt war der hohe Preis für zwei Tage eine Unbill, ich bin mir aber natürlich bewusst, dass ich für ein stehendes eigenes Auto mehr zahle.

Nun aber zum wirklichen Beweggrund für den Kauf: Wegen eines Pflegefalls in der Familie muss ich recht spontan in die Obersteiermark fahren und dort diverse Dinge erledigen. Das ging bis jetzt sehr gut mit dem Zug, bei steigender Frequenz kann man aber eigentlich den Beruf kündigen, weil man nur mehr im Zug sitzt. Das könnte ich zwar tun, kann mir dann aber die Zugtickets wegen Lohnentgangs nicht mehr leisten. Also schuldbewusst der Autokauf.

Welches Modell?

Eigentlich hätte es, wenn schon ein Auto, dann ein elektrisches werden sollen. Das geht sich aber finanziell nicht aus für mich, da ich oft am Stück rund 200 Kilometer in die Steiermark zurücklegen muss, mit Klimaanlage und Heizung und der einen oder anderen unvernünftigen Beschleunigung. Zudem gibt es in meiner Tiefgarage noch keine Möglichkeit, das Auto anzustecken. Also doch ein Benziner, weil Diesel ist ja, wenn man die Zeitung liest, noch unterirdischer von der Verteufeltheit her.

Die Entscheidung für das eine Modell war dann eine reine Bauchentscheidung (ja, Sie dürfen noch einmal mehr den Kopf schütteln): Seit Jahren gefällt mir eine bestimmte Marke ganz gut, und dann gab es auch noch ein preislich attraktives Angebot. Dass der Wagen neu ist, gibt mir ein Gefühl von Sicherheit (Betonung auf Gefühl), und auch die Vorstellung, dass ich mir eventuelle Schweißrückstände von Vorbesitzern gar nicht erst ausdenken muss, beruhigt ungemein. Neurotizismus als Kaufargument, warum nicht?

Die arge Erkenntnis der Sünde aber ist: Dieses Auto macht mir ungemein viel Spaß! Nie hätte ich erwartet, dass das Fahrgefühl, die neue Spontaneität und diese Freude über das Eigentum (böse!) so erquickend sein können. Ja, es schockiert mich geradezu! Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich den glänzenden neuen Lack liebevoll tätschle, mich über die bequemen Sitze freue und wie ich das Auto vermenschliche, indem ich mir einbilde, es wartet geduldig und voller Vorfreude auf mich in der Tiefgarage.

Einen Namen hat es natürlich auch schon: "Hagen! Der Wagen." Während der Fahrten brülle ich falsch zu den Liedern meiner Playlist und mache zu viele Pausen, weil es mir eben gefällt. Neben den familiären Pflichtfahrten packe ich meine Freunde ein, und wir fahren hin und wieder irgendwo hin, um neue Orte zu erkunden, ich bin nämlich die Einzige und Erste im Freundeskreis mit Auto. Herborgen tu ich es auch jederzeit gern: Weil für die Umwelt und meine Gewissensberuhigung (mea culpa, mea maxima culpa!) wäre es mir durchaus recht, die einzige Autobesitzerin im Freundeskreis zu bleiben. (Renate Schneider, 4.10.2018)