E-Scooter erobern Wien.

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Lime und Bird sind fast zeitgleich gestartet.

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Es begann mit den Leihrädern, nun kommen auch die leihbaren E-Scooter nach Wien: Das US-Start-up Bird hat vor rund einer Woche den Anfang gemacht, nun folgt mit Lime einer seiner größten Konkurrenten in den USA. Dort führen die beiden Unternehmen bereits seit Anfang des Jahres eine verbitterte Schlacht um Kunden in Städten – und haben große Investoren aus dem Silicon Valley angezogen.

DER STANDARD

Investoren wie Google und Uber

Lime konnte im Juli 335 Millionen US-Dollar Kapital bei einer Finanzierungsrunde sammeln – zu den prominentesten Geldgebern zählen der Fahrtendienst Uber und Googles Mutterkonzern Alphabet. Bird sammelte am selben Tag Berichten zufolge 300 Millionen Dollar ein. Beiden Unternehmen wird ein Wert von über einer Milliarde Dollar zugerechnet. Im Silicon Valley scheiden sich nun die Geister: Ist der E-Scooter-Hype eben genau das, nämlich ein Hype – oder eine langfristige Entwicklung in Städten?

Kurze Strecken schnell bewältigen

In den USA sprechen Hersteller vor allem über ein Angebot für "Mikromobilität" in Städten. Gemeint sind damit kurze Strecken, die zwar zu lang sind, um zu Fuß bewältigt zu werden, aber bei denen es sich trotzdem nicht lohnt, zu einem Auto oder öffentlichem Verkehr zu greifen. Der Trend ist aber nicht wie so oft im Silicon Valley entstanden, sondern entstammt eigentlich aus China, wo sich Leihfahrräder ohne Docking-Station – also ohne einen fixen Ort, wo sie geparkt werden müssen – massiv verbreiten konnten.

Das ist ebenso in die USA wie auch nach Europa übergeschwappt. E-Scooter sind zusätzlich kleiner, leichter und flexibler als Fahrräder, was vor allem Bewohnern in Metropolen, in denen ein sehr reger Verkehr herrscht, zugutekommt. Im Jahr 2016 finanzierten US-Investoren laut dem Analysten CBInsights Start-ups für E-Scooter noch mit 343 Millionen, 2017 waren es bereits 2,8 Milliarden. Heuer ist ein weiterer Anstieg zu erwarten.

Obike war ein Desaster

Zwar bieten Bird und Lime die ersten leihbaren E-Scooter in Wien, die ersten Leihräder gab es aber schon zuvor: Bis vor kurzem waren die beiden Konkurrenten Obike und Ofo in der Stadt aktiv. Das Singapur-Start-up Obike ging Pleite, was dazu führte, das rund 1.000 besitzerlose Fahrräder über Wien verteilt waren. Die MA 48 musste diese wegräumen, da Obike selbst seine Radflotte einfach stehen ließ.

Mit E-Scootern von Lime und Bird kommt ein zusätzlicher Faktor dazu, der für viele unbenutzte Geräte sorgen könnte: Sie sind elektrisch, was bedeutet, dass der Akku aufgeladen werden muss. Beide Unternehmen versprechen aktuell, dass die Roller abends eingesammelt, gewartet und aufgeladen werden. Mittels eines Partnerprogramms, genannt Juicer, sollen bei Lime Nutzer dazu bewegt werden, die Geräte selbst einzusammeln, aufzuladen und wiederaufzustellen – dafür soll es auch Geld geben. Das könnte wohl auch damit zu tun haben, dass der Akku maximal eine Reichweite von 40 Kilometern erlaubt. Bei dauerhafter Nutzung ist zu erwarten, dass er relativ bald leer ist und eine einmalige Aufladung pro Tag nicht ausreicht. Sollten sich nicht genügend "Juicer" finden, um die Geräte aufzuladen, könnte das zu vielen unbenutzten Tretrollern führen.

Juristisch kaum reguliert

Doch auch die möglichen Gefahren der juristisch noch großteils nicht regulierten Scooter könnten in Zukunft zu einem Streitthema werden. Die Geräte gehören in Städten wie San Francisco und Los Angeles bereits zum Straßenbild und sind immer öfter Auslöser von schweren Unfällen. So erzählte ein Arzt in einem großen Krankenhaus in San Francisco der "Washington Post", dass er pro Woche zehn Opfer von schweren Unfällen mit E-Scootern behandelt.

Das Problem sei Experten zufolge, dass E-Scooter genauso motorisierte Fahrzeuge wie Mopeds oder E-Bikes sind, trotzdem aber kaum gesetzlich reguliert sind. Sie sollen einerseits oft schlecht gewartet werden, andererseits herrscht keine Helmpflicht. Dazu kommt, dass die Einführung dadurch erschwert wird, dass die Start-ups enorme Lobbyarbeit betreiben. Etwa versucht Bird in Kalifornien zu verhindern, dass Helme verpflichtend genutzt werden müssen.

Strenge Nutzerlizenzverträge verhindern, dass die Unternehmen effektiv geklagt werden können, wenn es etwa aufgrund von technischen Mängeln zu Unfällen kommt. Solche Probleme sollen aber aufgrund unzureichender Expertise der Wartungsarbeiter erst in der Praxis von Usern entdeckt werden. Dieser reaktive statt vorbeugende Ansatz sei gerade im Verkehr besonders gefährlich.

"Fahrräder" ohne Helmpflicht

In Österreich gelten E-Scooter mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h als Fahrräder, wodurch Nutzer dieselben Rechte und Pflichten haben. Es herrscht keine Helmpflicht, wobei sowohl Bird wie auch Lime dazu raten, einen zu nutzen. Offizielle Daten zu Unfällen gibt es nicht, laut Markus Felkl-Neustätter vom Verkehrsdienst des Innenministeriums sei aber noch niemand aufgrund eines Unfalls mit einem elektrischen Tretroller in Österreich verstorben. Konkrete Verkehrsdaten zu Unfällen gibt es nicht, jedoch sollen die Statistik Austria und der KFV die Antriebsart von Rollern künftig gesondert erfassen. (Muzayen Al-Youssef,4.10.2018)