Im Jahr 2050 würde die Welt geschätzte 140 Milliarden Tonnen an Mineralien, Erzen, fossilen Brennstoffen und Biomasse verschlingen.

Foto: APA / OMV / HO

Sein Name ist Osymandias, König aller Könige: "Seht meine Werke, ihr Mächtigen, und verzweifelt!" – diese Inschrift liest ein Wanderer in der Wüste auf dem Sockel einer zerfallenen, einst imposanten Statue des Herrschers in einem Gedicht von Percy Bysshe Shelley. "Nichts weiter blieb. Ein Bild von düstrem Grame, dehnt um die Trümmer endlos, kahl, eintönig die Wüste sich, die den Koloss begräbt", lauten die Schlusszeilen. Symbolisch für das Vergängliche alles Weltlichen, warnen die Worte auch vor der Hybris, immensen Reichtum im Jetzt anzuhäufen, ohne an die Zukunft zu denken.

Warnung vor ökologischem Kollaps

Viele erkennen aktuell in einem "Wachstumswahn" der Weltwirtschaft eine ähnlich gefährliche Selbstüberhebung der Menschheit wie in dem Gedicht von Shelley.

Im Jahr 2050 würde die Welt geschätzte 140 Milliarden Tonnen an Mineralien, Erzen, fossilen Brennstoffen und Biomasse verschlingen – dreimal so viel wie heute, berechnete das Umweltprogramm der Uno in einem vielbeachteten Bericht.

Kritiker warnen daher vor einem ökologischen Kollaps. Verantwortlich sei der Kapitalismus, der nicht anders könne, als Wachstum zu forcieren. Mit den Worten eines der Begründer der Wachstumskritik, Kenneth Boulding: "Wer glaubt, exponentielles Wachstum kann in einer endlichen Welt andauernd weitergehen, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom." Weniger provokant, aber dennoch unmissverständlich forderten vor kurzem 238 Wissenschafter in einem offenen Brief von der EU, das "aggressive Streben nach Wachstum auf Biegen und Brechen" aufzugeben. Die sozialen Probleme könnten ganz ohne Wachstum, allein durch bessere Umverteilung, gelöst werden.

Andere Ökonomen halten das Streben nach einer Postwachstumsgesellschaft für verfehlt.

Duell der Vereinfacher

Der Ressourcenverbrauch und der Schadstoffausstoß seit der industriellen Revolution sind nicht zu leugnen. Die Weltuntergangsstimmung der Wachstumskritiker hält Björn Lomborg aber für kontraproduktiv. Der bekannte dänische Politikwissenschafter und Statistiker tritt immer wieder als provokanter Gegner von Ökoaktivisten auf.

"Ein großer Teil der Umweltbewegung lässt immer noch diesen Alarmismus erkennen", sagt Lomborg in einer Auseinandersetzung mit Wachstumskritikern. "Darum können sie keine Prioritäten setzen." Industrieländer fokussierten sich gleich stark auf zwei Dinge: einerseits auf kostspieliges, aber ineffizientes Recycling, andererseits auf Luftverschmutzung – die aber eine viel größere Gefahr für den Menschen darstelle.

Ähnlich problematisch sieht Lomborg die Kritik am Wirtschaftswachstum. Der Fokus auf Umweltverschmutzung vernachlässige die Tatsache, dass Milliarden Menschen in bitterer Armut leben. Diese könnten im Stich gelassen werden, sollte sich die westliche Welt auf ihre neu gefundenen Sorgen um Klima und Co konzentrieren und dafür Wachstum abbremsen. Egal ob die ökologischen Probleme real oder imaginär seien, setzt er nach. Denn Wohlstand durch Wachstum sei der beste Schutzschild gegen die Erderwärmung.

Beide Seiten neigen manchmal zu Vereinfachungen. Dass viele Ökonomen behaupteten, Ressourcenverbrauch sei ewig möglich, stimmt so nicht. Genauso wenig wie die Annahme, dass ein Großteil der Umweltbewegung jegliches Wachstum unterbinden wolle. Der Uno-Bericht über eine Verdreifachung des Ressourcenverbrauchs bis 2050 enthält auch eine klare Einschränkung: "Es sei denn, das Wirtschaftswachstum wird von der Rate des Verbrauchs entkoppelt."

Hilfe gegen Armut

Das eröffnet zwei Optionen. Entweder verzichtet die Menschheit tatsächlich auf Wachstum. Das hätte aber negative Folgen für den Wohlstand. Seit dem Jahr null, Christi Geburt, hat sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf über 1800 Jahre kaum vom Fleck bewegt. In den folgenden 200 Jahren, bis heute, hat sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf verfünfzehnfacht. Selbst wenn die reichen Länder aufhörten zu wachsen, wäre der historische Trend nicht aufgehalten, solange Schwellenländer und Entwicklungsländer aufholen. Gegen Armut hilft nur Wachstum.

Die zweite Option, um Ressourcenverbrauch von Wachstum zu entkoppeln, sind eine effizientere Produktion und neue Prioritäten. Das gelingt zum Teil bereits, und zwar dank des Wachstums: Mit höherem Wohlstand gewinnt auch der Umweltschutz an Stellenwert.

Untersuchungen zeigten etwa, dass die Schadstoffkonzentration während der Industrialisierung stark anstieg, ab einem gewissen BIP-Niveau aber wieder sank. Das gilt allerdings nicht für jede Form der Belastung, allen voran CO2. Glücklicherweise ist das BIP für Ökonomen ohnehin nicht das Maß aller Dinge, sondern das flexibelste Maß der Dinge.

Vieles bringt das BIP voran: Die Entwicklung von Software beschäftigt heute größere Firmen als die Produktion von Autos. Maßnahmen zur Luftreinigung treiben das BIP genauso an wie die Produktion von Ökostrom. Die Märkte für Nachhaltigkeit entstehen gerade erst. Ohne massive Investitionen werden sie niemals bewirtschaftet.

Die Wüste, in der die Ruinen Osymandias' Statue stehen, ist nämlich auch ein Ort ohne Wachstum. (Leopold Stefan, 30.9.2018)