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Theresa May erscheint nach dem Salzburger Gipfel stark angeschlagen, anders als sonst üblich dürften sich die Konservativen nicht um ihre verzweifelt um einen vernünftigen Brexit-Kompromiss ringende Chefin scharen.

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Eines lässt sich mit Gewissheit voraussagen: Am Montag wird im Kongresszentrum von Birmingham fröhlich gesungen, und zwar "Happy Birthday". Mögen viele Delegierte auf dem am Wochenende beginnenden Parteitag der Konservativen ihrer Vorsitzenden auch sonst wenig Gutes wünschen, zum 62. Geburtstag werden sie Theresa May doch artig gratulieren.

Als höchst wahrscheinlich darf auch gelten, dass die Jubilarin am Schlusstag des Jahrestreffens am Mittwoch noch das Amt der Premierministerin Ihrer Majestät bekleidet. Darüber hinaus aber ist vieles unklar – auch die Dauer ihres Verbleibs in der Downing Street. Hintergrund ist – natürlich – der für Ende März, also in genau sechs Monaten, geplante EU-Austritt. May erscheint nach der Demütigung beim Salzburger Gipfel stark angeschlagen in der zweitgrößten Stadt Großbritanniens. Und anders als sonst üblich dürften sich die Konservativen nicht instinktiv um ihre vorsichtige, verzweifelt um einen vernünftigen Brexit-Kompromiss ringende Chefin scharen. Die Instinkte des Parteivolkes liegen vielmehr auf einer Linie mit Brexit-Ultras wie Jacob Rees-Mogg. Die Bewunderung vieler Mitglieder gehört auch Ex-Außenminister Boris Johnson, der die Premierministerin regelmäßig mit umfangreichen (und für ihn lukrativen) Aufsätzen im Daily Telegraph quält.

Umstrittenes Chequers-Papier

Am Freitag war es wieder so weit: Auf einer ganzen Seite denunzierte Johnson die britische Regierung als "rückgratlos" und "altersschwach" – dass sie von seiner Partei getragen wird und er selbst bis Juli dazugehörte, vergaß der Kolumnist zu erwähnen. Als Erstes müsse Mays Chequers-Papier im Abfall landen.

Der nach dem Landsitz der Premierministerin benannte Kompromiss sieht einen weichen Brexit vor: Übergangsfrist bis Ende 2020, danach enger Assoziationsstatus. Um die Durchlässigkeit der inneririschen Grenze zu garantieren, soll das Vereinigte Königreich in einem Binnenmarkt für Güter verbleiben, will bei Dienstleistungen hingegen eigene Wege gehen. Diesen Plan lehnten die 27 EU-Staats- und -Regierungschefs in wenig diplomatischer Sprache ab.

Corbyn bei Barnier

Dennoch gibt es in London und Brüssel einige, die an einen Kompromiss in diesem Herbst glauben. Ob May diesen Deal aber auch durchs Unterhaus bringen könnte? Um diese Frage drehte sich am Donnerstag in Brüssel das Gespräch zwischen Oppositionsführer Jeremy Corbyn und dem EU-Verhandlungsführer Michel Barnier. Auf ihrem gerade erst zu Ende gegangenen Parteitag hatte die Labour Party für einen noch weicheren Brexit geworben, als May ihn vorsieht. Ohnehin wünscht sich Corbyn Neuwahlen, auf ihn darf die Tory-Chefin also nicht bauen.

Auch in der eigenen Partei gibt es wenig Chequers-Freunde: Während eine kleine Gruppe der Unterhausfraktion Labours Vorstellungen zuneigt oder sogar vom EU-Verbleib träumt, kämpfen die Ultras für eine harte Trennung, schließen auch den Chaos-Brexit ("no deal") nicht aus. Theresa May wird in den nächsten Tagen in Birmingham auch viel über andere Initiativen ihrer Regierung sprechen. Allein – am Brexit entscheidet sich, ob sie auch beim Parteitag im nächsten Jahr noch Vorsitzende und damit Premierministerin sein wird.(Sebastian Borger aus London, 30.9.2018)