Ein Schreiben aus seinem Ressort brachte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) den Vorwurf ein, mit der Pressefreiheit zu spielen.

Foto: Robert Newald

Es geht auch anders, Herr Innenminister. Wie Sie wissen, wird die Wiener Polizei dieses Wochenende Gott und die Welt über alle anfallenden Streifeneinsätze informieren. Der sogenannte Twitter-Marathon #24h133, der von Samstag, sieben Uhr früh, 24 Stunden dauert, soll einen konkreten, aktuellen und vollständigen Einblick in die tägliche Polizeiarbeit bieten. Wer einen Internetzugang hat, ist live dabei.

Ja, Herr Minister, natürlich ist das in erster Linie eine PR-Aktion, eine Charmeoffensive der Polizei. Und manche Tweets wie "Zwei 80-Jährige gerieten sich in die nicht mehr vorhandenen Haare" waren im Vorjahr bei der Premiere der Blaulichttwitterei hart an der Grenze der beamtlich zulässigen Flapsigkeit. Aber das Social-Media-Team, das damals 841 Einsätze getwittert hat, erhielt viel Lob für den für alle offenen Informationskanal. Lob, das unter anderen auch Ihr jetziger Ressortsprecher einstreifte. Sie können sich sicher erinnern, Herr Minister, dass er damals zum zuständigen Referat Veranstaltungsmanagement und Neue Medien bei der Polizei gehörte.

Rundmail an Polizeisprecher

Warum ich das so explizit erwähne, Herr Minister? Weil eben Ihr Ressortsprecher in seiner Rundmail an Polizeisprecher im ganzen Land nun vorgeschlagen hat, die Kommunikation mit "kritischen Medien" auf "das nötigste Maß zu beschränken". Nur für den Fall, dass Sie das Schreiben nicht mehr so genau im Kopf haben: "Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z. B. Standard, Falter) sowie neuerdings auch seitens des Kuriers eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben", heißt es darin als Begründung dafür, dass nur mehr, aus Sicht des Ministeriums, brave Medien "Zuckerln" erhalten sollen.

Von der Wortwahl haben Sie sich, Herr Innenminister, in einer allerersten Reaktion distanziert – um den Inhalt nur einen Tag später zu verteidigen und zu erklären, dass die Pressefreiheit dadurch nicht im Entferntesten bedroht werde. Pardon, Herr Minister, aber meinen Sie wirklich, dass sich das Ministerium aussuchen darf, welche Medien mit welchen Informationen versorgt werden?

Die richtigen Fragen stellen

Es war schon immer so, dass manche Medien mehr Informationen von der Polizei erhalten haben als andere? Ja, Herr Minister, dem stimme ich zu. Aber das liegt ausschließlich an den Kontakten, die sich Journalistinnen und Journalisten in Polizeikreisen erarbeitet haben, beziehungsweise am handwerklichen Geschick, die richtigen Fragen zu stellen. Und ja, manchmal ist das ein Ärgernis für diejenigen Medien, die sich nicht um derartige Kontakte bemühen. Es ist aber ein wesentlicher Unterschied, ob ein Informationsvorsprung durch Recherche entsteht oder dadurch, dass offizielle Pressestellen nach Gutdünken über Bevorzugung oder Benachteiligung von Medien entscheiden.

Ich kann Ihnen versichern, dass die aus ihrem Haus vorgeschlagene Bestrafungsaktion für kritische Medien so manche Polizeipressestelle überrascht hat. Denn in der Regel verläuft die Zusammenarbeit, die seitens des Innen- und Justizministeriums durch Medienerlässe geregelt ist, ausgesprochen gut. Auch mit uns vom STANDARD, also einem Ihrer Ansicht nach "kritischen" Medium.

Auf Schlagzeilen verzichtet

Sie werden es nicht glauben, Herr Minister, aber manchmal sprechen sich Journalisten und Polizisten sogar ab. Ich erzähl’ Ihnen ein Beispiel aus dem Jahr 2006, um Ihnen die Mühe zu ersparen, nach dem Leak suchen zu müssen. Als 2006 der Dieb der Saliera verhaftet wurde, gingen einige wenige Zeitungen, die davon erfahren hatten, nicht sofort damit an die Öffentlichkeit. Die Polizei ersuchte darum, so lange zu warten, bis die drei Jahre zuvor aus dem Kunsthistorischen Museum gestohlene Goldschmiedearbeit in sicheren Händen ist. Der in Wien gefasste Dieb hatte Benvenuto Cellinis Salzfässchen nämlich in einem Wald vergraben. Die eingeweihten Zeitungen, darunter auch der STANDARD, verzichteten darauf, in dem Fall als Erste weltweite Schlagzeilen zu machen. Einen Tag später gab die Polizei die Lösung des Kriminalfalles allgemein bekannt.

Handschlagqualität

Diese Handschlagqualität hängt, ohne Ihnen nahetreten zu wollen, glücklicherweise nicht davon ab, wer gerade Minister ist. Die Polizei weiß, dass sie in vielen Belangen auf die Zusammenarbeit mit den Medien angewiesen ist. Und vice versa.

Wir müssen nicht verhabert sein, wie es auf gut Wienerisch heißt; sollten es auch nicht sein. Denn wer Zuckerln verteilt, erwartet sich in der Regel eine Gegenleistung dafür. Ich erlaube mir deswegen vorzuschlagen, Herr Minister, die Kommunikation auf einem professionellen Niveau zu pflegen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Simoner

(Michael Simoner, 29.9.2018)