Diese Woche war keine gute für die Demokratie in diesem Land. Der Europarat zeigt sich wegen der Medienfreiheit in Österreich alarmiert, und auch die OSZE hat Österreich wegen der "Anregung" aus dem Innenministerium kritisiert, "einzelne Medien zu boykottieren und den Informationsfluss an diese beschränken" zu wollen.

Man kann die Schuld an dieser Misere auf seinen Mitarbeiter schieben, wie Innenminister Herbert Kickl es getan hat. Man kann den Grund auch bei Kickl selbst suchen, der kürzlich in einem TV-Interview deutlich gemacht hat, wie wenig er davon verstehen will, welche Aufgabe die freie Presse in einer Demokratie hat. Man kann auch den Kanzler selbst dafür kritisieren, dass die Regierungs-PR unter ihm eine neue Dimension erreicht hat. Dass manche Medien gezielt Informationen erhalten, während andere benachteiligt werden, ist keineswegs ein Phänomen FPÖ-geführter Ministerien; zuletzt wurden etwa bei Infos zur Sozialversicherungsreform und zur Pensionserhöhung nicht alle Medien gleich behandelt.

Man kann aber auch auf einer noch höheren Ebene nach einer Erklärung suchen, warum solche "Anregungen" überhaupt entstehen. So etwas geschieht, weil Politik und Verwaltung in Österreich ein Transparenzproblem haben, und zwar ganz offiziell: Es heißt "Amtsgeheimnis", steht im Verfassungsrang (einzigartig in Europa) und gilt seit der Kaiserzeit. Klare Regeln, was in der Praxis der Amtsverschwiegenheit und was der Auskunftspflicht unterliegt, gibt es in Österreich nicht.

Informationen als Eigentum

Dies ist die Grundlage für jene Geisteshaltung, die Volksvertreter überhaupt erst auf die Idee kommen lässt, es sei ihre Entscheidung, das Volk nach ihrem Gutdünken informieren oder im Dunkeln lassen zu können. Dies ist die Grundlage für ein Klima, in dem Informationen der öffentlichen Hand wie ein Eigentum betrachtet werden, für das sich nach Belieben entscheiden lässt, ob man es weitergibt oder kritischen Medien wie dem STANDARD vorenthält, wie das in der E-Mail aus dem Innenministerium angeregt wurde.

Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein: Alles, was der Staat macht, ist öffentlich – außer eine Geheimhaltung ist für die Sicherheit des Landes, für den Schutz des Geschäftsgebarens von Betrieben oder der Privatsphäre von Bürgern unverzichtbar.

Es ist nun auch in Österreich wirklich an der Zeit für ein Informationsfreiheitsgesetz, etwa nach dem liberalen Hamburger Vorbild. Damit hätten künftig alle Menschen einen klar definierten und in der Praxis vor Gericht auch durchsetzbaren Anspruch, zu erfragen, was mit ihrem Steuergeld passiert. In den meisten EU-Ländern gibt es bereits ein Recht auf Dokumenteneinsicht.

Einer hat diese Notwendigkeit schon 2013 erkannt. Unter dem Motto "Gläserner Staat statt gläserner Bürger" forderte er ein solches Transparenzgesetz, damit "alles, was aus Steuergeld finanziert wird, offengelegt werden muss". Es war Sebastian Kurz, damals Staatssekretär. Geändert hat sich seither nichts.

Nun, als Bundeskanzler, wäre Kurz in der Lage, dieses Problem zu lösen. Damit wäre der Bund auch ein Vorbild für Länder wie Wien und Gemeinden, in denen mehr Transparenz ebenfalls dringend nötig ist. Wenn der Kanzler seinen Worten Taten folgen lässt, kann er das Klima der Geheimnistuerei beenden und noch viel gefährlichere Dinge als die E-Mail eines fehlgeleiteten Ministeriumssprechers verhindern. (Martin Kotynek, 29.9.2018)