Bild nicht mehr verfügbar.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg dürfte über die anhaltenden Unbilden rund um sein Unternehmen nur wenig erfreut sein.

Foto: Leah Millis / AP

Der 11. April 2018 war ein guter Tag für Mark Zuckerberg. Im Gefolge des Cambridge-Analytica-Skandals musste er sich den Fragen des US-Kongresses stellen und erledigte diese Aufgabe mit Bravour. Keine einzige der Politikerfragen brachte ihn ins Schwitzen, von Anfang bis zum Ende wirkte er souverän. Auch sonst schien die Strategie der Facebook-PR-Abteilung zu greifen: Zuckerberg und andere Topmanager des Unternehmens begaben sich auf eine große "Mea culpa"-Tour durch die Medien. Doch ein paar Monate später ist klar: All das hat nur wenig gebracht, das Vertrauen in den Konzern ist nachhaltig beschädigt.

Die Ereignisse der vergangenen Tage zeigen dabei recht eindrucksvoll, wie tief die Risse bei Facebook mittlerweile gehen. So musste das Unternehmen am Freitag eingestehen, dass es bislang unbekannten Hackern gelungen ist, auf die Accounts von zumindest 50 Millionen Nutzern zuzugreifen. Ein Vorfall, der bei anderen Unternehmen das schlimmste Ereignis des gesamten Jahres gewesen wäre, bei Facebook war es aber nur der Abschluss einer sehr, sehr schlechten Woche.

Instagram

Begonnen hatte die Serie an unerfreulichen Vorfällen mit einer kurzen Notiz: Kevin Systrom und Mike Krieger, die beiden Gründer von Instagram, gaben am Dienstag in einem Blogeintrag bekannt, dass sie sich von Facebook zurückziehen. Der auffällig generisch gehaltenen Mitteilung folgten bald Berichte über die wahren Ursachen für diesen Schritt. Dem Abgang war offenbar ein Zerwürfnis mit Facebook-Chef Zuckerberg vorangegangen. Zuckerberg soll sich in den vergangenen Monaten immer stärker in das Geschäft der bisher viele Freiheiten genießenden Tochterfirma eingemischt haben.

Kurz danach folgte ein weiteres PR-Desaster für Facebook: Whatsapp-Gründer Brian Acton richtet dem Unternehmen via Zeitungsinterview aus, dass er den Verkauf des Messengers an Facebook mittlerweile bereut. "Ich habe die Privatsphäre meiner Nutzer verkauft", wird der Softwareentwickler in dem Bericht unmissverständlich zitiert. Acton hatte sich bereits vor rund einem Jahr von Facebook verabschiedet, auch damals sollen interne Zerwürfnisse vorangegangen sein. So habe Zuckerberg immer stärker Druck gemacht, um den Erfolg von Whatsapp endlich zu Geld zu machen.

Eine nicht ganz unverständliche Einstellung, hat doch Facebook für den weltweit am meisten genutzten Messenger einst satte 19 Milliarden Dollar bezahlt. Dass man diese Investition irgendwann gewinnbringend nutzen will, ist insofern nicht weiter überraschend. Das Problem dabei: Die Whatsapp-Gründer hatten Zuckerberg einige Jahre zuvor davon überzeugt, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für den Messenger zu implementieren. Das schützt die Konversationen der Nutzer vor den Augen von Dritten, sperrt aber auch den Betreiber selbst aus – was eine Monetarisierung des Messengers natürlich signifikant erschwert. Also befürchtete Acton, dass die Verschlüsselung aufgeweicht wird, und kehrte dem Unternehmen den Rücken. Sein Co-Gründer Jan Koum folgte ihm auf diesem Weg nur wenige Monate später.

Datengier

Dann wurde in der vergangenen Woche auch noch offenbar, dass Facebook deutlich mehr Daten für Werbung benutzt, als man öffentlich zugibt. Der Techblog "Gizmodo" konnte nachweisen, dass Werber Zielpersonen auch mittels Telefonnummern finden können, die sie gar nicht selbst bei Facebook angegeben haben. Damit wird – einmal mehr – die Existenz jener "Schattenprofile" bestätigt, von denen der Facebook-Chef in seiner Anhörung vor dem Kongress noch nichts wissen wollte. Alle Daten, die man über die von den Nutzern selbst angegeben Informationen hinaus sammle, würden lediglich aus Sicherheitsgründen erfasst und nicht für andere Zwecke genutzt, betonte Zuckerberg einst. Der aktuelle Bericht widerlegt diese Behauptung nun.

Doch die Recherche legte noch ein zweites, unerfreuliches Detail über die Datensammelpraxis von Facebook offen: So nutzt das Unternehmen auch jene Telefonnummer für Werbezwecke, die die User zur Zwei-Faktor-Authentifizierung hinterlegt haben. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Sicherheitsstufe, die eigentlich dazu gedacht ist, Accounts besser vor Hackern zu schützen. Bei "Techcrunch" findet man denn auch scharfe Worte für solchen Methode: Facebook habe das Thema Sicherheit zu einer Waffe gemacht, mit der man die Privatsphäre der Nutzer unterwandere.

Politische Forderungen

Eine Kombination von Ereignissen, die dafür sorgt, dass Facebook nicht so schnell aus den negativen Schlagzeilen kommen wird. So wurde in den USA angesichts des aktuellen Hacks bereits eine Sammelklage gegen das Unternehmen eingereicht. Der Vorwurf: Facebook gehe nicht sorgsam mit der Sicherheit seiner Nutzer um. Ein Vorwurf, der zunehmend auch aus der Politik zu hören ist, immerhin sind in den vergangenen Monaten gleich mehrere Sicherheitslücken bei dem sozialen Netzwerk öffentlich geworden.

Viel schlimmer ist aber ein anderes Wort, das sowohl europäischen als auch US-amerikanischen Politikern immer öfter über die Lippen kommt: Aufspaltung. So wirft etwa Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, im Gespräch mit dem "Spiegel" die Monopolfrage auf. "Die EU-Kommission sollte prüfen, ob (...) Facebook nach der Übernahme von Whatsapp und Instagram eine marktbeherrschende Stellung besitzt", wird der deutsche Politiker von dem Magazin zitiert. Dabei sei "im Extremfall" auch eine Entflechtung von Facebook denkbar. Dieser Einschätzung stimmte bereits kurz danach auch der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, zu.

Historische Fehlentscheidungen?

Eines ist jedenfalls klar: Die Zweifel daran, ob es die richtige Entscheidung war, die Käufe von Whatsapp und Instagram zu genehmigen, werden immer lauter. Immerhin hat Facebook damit seine Marktmacht geschickt ausgedehnt. Während Facebook mittlerweile 2,23 Milliarden Nutzer erreicht, bringt es Whatsapp auf 1,5 Milliarden, und auch Instagram ist bereits bei einer Milliarde angekommen.

Vor allem das Fotonetzwerk zeigt dabei derzeit ein rasantes Wachstum. Da kommt es für den Softwarehersteller natürlich besonders schlecht, dass Whatsapp-Gründer Acton im erwähnten Interview auch zu Protokoll gibt, dass ihn Facebook dazu aufgefordert hat, gegenüber europäischen Regulatoren zu lügen. Diese hatten Bedenken gegen eine Kombination der Nutzerdaten von Facebook und Whatsapp geäußert. Acton soll dann auf Geheiß von Facebook – fälschlicherweise – betont haben, dass eine solche Zusammenführung technisch ohnehin nur schwer umzusetzen sei.

Ob eine Aufspaltung überhaupt Sinn ergeben würde, ist bei Experten allerdings stark umstritten. Immerhin besteht hier die Gefahr, dass die entstehenden Einzelunternehmen dann in ihren jeweiligen Bereichen erst recht wieder den Markt beherrschen – womit aus Nutzersicht wenig gewonnen wäre. Das weiß natürlich auch die Politik, insofern dürfte sich Zuckerberg über dieses Szenario zumindest zum aktuellen Zeitpunkt noch keine allzu großen Sorgen machen.

Abschreckende Signale

Ganz anders sieht es bei den firmeninternen Bruchlinien aus, die sich durch den Abgang der Gründer von Instagram zeigen. Denn auch wenn die Angriffe von außen auf Facebook immer stärker wurden, im Silicon Valley genoss das Unternehmen bisher einen ungebrochen hervorragenden Ruf. Nun könnten sich hingegen viele Gründer fragen, ob sie ihre Firma wirklich an einen solchen Konzern verkaufen wollen. Zudem könnte es für Facebook immer schwerer werden, talentierte Entwickler zu bekommen – und vor allem: zu halten. Gerade rund um Instagram steht zu befürchten, dass hier viele Kernentwickler Systrom und Krieger folgen werden, wenn diese einmal bekanntgeben, was sie als Nächstes vorhaben. Dann könnte es auch mit der Innovationsführerschaft in diesem Bereich schnell vorbei sein.

Der Nukleus für all diese Entwicklungen dürfte dabei übrigens sehr wohl beim Cambridge-Analytica-Skandal zu suchen sein. So berichten US-Medien davon, dass Zuckerberg seitdem immer mehr Macht an sich zu ziehen versucht. Getrieben ist dies von der Angst, dass sein eigenes "Baby", also das soziale Netzwerk Facebook, nachhaltig Schaden nehmen könnte. Dem wurden andere Abteilungen wie Instagram und Whatsapp untergeordnet. Ironischerweise ist es aber genau dieses Bestreben, das Facebook nun zunehmend in die Krise stürzt. (Andreas Proschofsky, 30.9.2018)