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Ein Medienunternehmen weigerte sich, Postings von einer Diskussionsplattform zu löschen, weil der Verfasser dies wünschte. Dieser kam mit seiner Beschwerde bei der Behörde nicht durch.

Foto: Getty Images / Alex Belomlinsky

Mit Geltendwerden der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25. Mai 2018 ist in Österreich auch das neue Medienprivileg in Kraft getreten. Dieses nimmt weite Teile der DSGVO-Pflichten für die journalistische Tätigkeit von Medienunternehmen und Mediendiensten aus.

Auf dieser Basis hat die Datenschutzbehörde (DSB) mit Bescheid die Beschwerde eines Users einer großen Onlinediskussionsplattform wegen unterbliebener Löschung seiner Userkommentare zurückgewiesen (DSB-D123.077/0003-DSB/2018 vom 13. 8. 2018).

Die Beschwerdegegnerin im Verfahren vor der DSB betreibt eine Website mit Onlinediskussionsplattform, auf der registrierte User die redaktionell verfassten Artikel kommentieren können. Auch der Beschwerdeführer war dort als User registriert und aktiv.

Im Juni 2018 – somit nach Inkrafttreten der DSGVO – begehrte er die Löschung der von ihm verfassten Postings. Die Websitebetreiberin kam diesem Begehren jedoch nicht nach, weshalb sich der User an die Datenschutzbehörde wandte: Diese wies die Beschwerde zurück.

Unzuständig

Die Behörde begründete ihre Entscheidung mit dem Medienprivileg des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG). Dieses bestimmt im Wesentlichen, dass auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes die DSGVO nur sehr eingeschränkt und das DSG überhaupt nicht anzuwenden ist.

Insbesondere die Betroffenenrechte – etwa das Recht auf Löschung personenbezogener Daten – und die Anordnungs- und Sanktionsbefugnisse der Datenschutzbehörde fallen im Anwendungsbereich des Medienprivilegs weg. Da die Behörde in der vorliegenden Entscheidung auch Formen des "Bürgerjournalismus" wie Internetdiskussionsforen als vom Medienprivileg erfasst erachtete, erklärte sie sich für die Beschwerde des Users für unzuständig.

Weite Auslegung

Sowohl bemerkens- als auch begrüßenswert an der Entscheidung ist das klare Bekenntnis zu einer weiten Auslegung des Medienprivilegs: Entgegen dem engen Wortlaut soll nach Ansicht der Behörde allein das Vorliegen eines journalistischen Zwecks für dessen Anwendung entscheidend sein.

Es soll damit allein auf den Verarbeitungszweck, nämlich jenen der journalistischen Betätigung, ankommen, nicht jedoch darauf, wer diesen journalistischen Zweck verfolgt. Mit dieser Sichtweise folgt die Behörde auch dem unionsrechtlichen Verständnis, wonach der Begriff des Journalismus weit auszulegen ist.

Besondere Brisanz birgt die Entscheidung der DSB vor dem Hintergrund der jüngeren nationalen Rechtsentwicklung im Datenschutz: Bereits vor Geltung der DSGVO kam das datenschutzrechtliche Medienprivileg des "alten" DSG 2000 nur Medienunternehmen bzw. Mediendiensten zugute, nicht aber individuellen Blogs und anderen freien journalistischen Publikationen. Dies wurde in der Literatur kritisiert und lief auch dem EU-rechtlichen Verständnis von Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken zuwider.

Erst raus, dann wieder rein

Um diesen Missstand zu beseitigen, sah der österreichische Gesetzgeber zunächst vor, mit Geltung der DSGVO auch das Medienprivileg entsprechend anzupassen und dessen Einschränkung auf Medienunternehmen bzw. Mediendienste im Wesentlichen fallenzulassen. Kurz vor Inkrafttreten dieses "neuen" DSG wurde das Medienprivileg jedoch nochmals neu gefasst: Die Einschränkung auf Medienunternehmen und Mediendienste fand erneut Eingang in den Gesetzestext.

Ob mit der vorliegenden Entscheidung der DSB ein Schritt getan wurde, um die Diskussion um die Reichweite des Medienprivilegs österreichischer Prägung kurz nach dessen Inkrafttreten (wieder) neu zu entfachen, bleibt abzuwarten: Da der konkrete Bescheid bereits rechtskräftig ist, wird erst ein neues Verfahren zu einem anderen Anlassfall angestoßen werden müssen, um allenfalls eine Auslegung des Medienprivilegs durch das Bundesverwaltungsgericht bzw. die Höchstgerichte zu erhalten. (Franz Lippe, 4.10.2018)