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Depardieu begrüßte Putin 2013. Im Oktober will er auch den türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan treffen.

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Depardieu hat seit 2012 die russische Staatsbürgerschaft und nutzte auch im März 2018 sein Wahlrecht dort.

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Depardieu im September bei der Militärparade zum 70-jährigen Bestehen Nordkoreas.

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Die Obelix-Nase unter dem Strohhut ließ keinen Zweifel zu: An der Truppenparade zum 70-jährigen Bestehen Nordkoreas vor ein paar Tagen saß auch Gérard Depardieu im Publikum. Frankreichs Schauspielmonument, das im Dezember 70 wird, war sichtlich in guter Laune, animierte andere Gäste zum Applaudieren. Unweit davon konnte sich Staatschef Kim Jong-un seinerseits freuen, dass aus dem Westen doch noch ein prominenter Gast zur Zeremonie gekommen war.

Despotische Episoden

In Paris hieß es hingegen, der berühmteste Schauspieler Frankreichs sei wieder einmal einem Despoten auf den Leim gegangen. Wie 2012, als er von Wladimir Putin die russische Staatsbürgerschaft angenommen habe. Oder wie in den Momenten, als er mit dem tschetschenischen Landesherrn Ramsan Kadyrow das Tanzbein schwang oder mit der Tochter des usbekischen Ex-Machthabers Islom Karimow im Duo Karaoke sang.

Depardieu reagierte auf seine Weise auf solche Kommentare: Er erklärte, er beantrage nun auch die türkische Staatsbürgerschaft und werde zu dem Zweck Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Oktober besuchen.

"Macron ist auch wie Putin"

In einem Interview mit der Zeitung "Nice-Matin" antwortete er diese Woche auf die Frage, was denn die von ihm frequentierten Herrscher wie Putin an sich hätten: "Putin ist, wie er ist, aber ich kann Ihnen sagen, Macron ist auch wie Putin." Damit wolle er ausdrücken, dass der französische Präsident auch nicht demokratischer sei als der russische, erklären Depardieu-Versteher in den französischen Internetforen. Ein Diskussionsteilnehmer meinte gar, der Vergleich sei eine Beleidigung für Putin, der für sein Land mehr geleistet habe als Emmanuel Macron, der in Meinungsumfragen eingebrochen sei.

Flirts mit Hardlinern

Die Fans des Schauspielers Depardieu, der 180 Filmrollen auf dem Zähler hat, fragen sich kopfschüttelnd: Wird ihr Idol langsam zum Bannerträger der Rechtspopulisten oder zumindest jener libertären Provokateure, die in Paris gerne die Grenzen der politischen Unkorrektheit ausreizen? Das ist wohl zu viel Ehre für den Charakterdarsteller von Cyrano de Bergerac, Danton oder dem Grafen von Monte Christo. Seine Flirts mit östlichen Hardlinern wirken politisch so unbedarft wie sein Umgang mit französischen Präsidenten. In Paris hatte er schon den Sozialisten François Mitterrand und dann den Konservativen Nicolas Sarkozy unterstützt. Mit François Hollande überwarf er sich 2012 wegen einer 75-Prozent-Steuer für Millionäre. Dafür huldigte er Fidel Castro bei einem Treffen in Kuba für "50 Jahre politischer Intelligenz".

Stolzer Proletarier

Gégé, wie ihn seine Landsleute nennen, bezeichnet sich selbst stolz als Proletarier, auch wenn er heute mit Gagen, Filmproduktionen und Weinbergen hundertfach unter die besagte, nie verwirklichte Steuer fallen würde. Sein Vater, ein sprechgestörter Blechschmied, kaufte das kommunistische Parteiblatt "L'Humanité", auch wenn er sie kaum zu lesen vermochte. Ihn und seine Mutter – die ihn mit Stricknadeln hatte abtreiben wollen – verließ Gérard schon im Alter von 13 Jahren. Mit Drogenberührung und gelegentlicher Stricherfahrung schlug er sich bis in das Pariser Filmmilieu durch, wo er Bürgerschreckfilme wie "Die Ausgebufften" drehte.

Putin möge er, weil der wie er selbst ein großer Verbrecher hätte werden können, meinte Depardieu einmal. Im August zeigte ihn eine 22-jährige Schauspielschülerin an, weil sie der schwergewichtige Schauspieler bei einer Theaterprobe in einer seiner Pariser Wohnung vergewaltigt habe. Während die Justiz ermittelt, gibt der unersättliche Handke- und Bernhard-Leser Konzerte in Frankreich – bei denen er die Zuhörer mit zarten Chansons der verstorbenen Sängerin Barbara verblüfft.

"Depardieu ist Frankreich"

Ob mit Provokation oder Vatersuche, Gewalt oder Poesie: Unablässig setzt sich Depardieu mit Frankreich auseinander – gerade auch, wenn er ihm den Rücken kehrt und seinen ersten Pass abgeben will. Es gibt keinen französischeren Schauspieler, schätzt der Chronist Pierre Assouline: "Depardieu ist selbst Frankreich, er ist die perfekte Inkarnation seiner Unvollkommenheit."

Ein Lokaljournalist der Zeitung "Le Parisien", der Depardieu vergangene Woche vor seiner Wohnung abpasste, schaffte es nur, ihm die Frage zuzurufen: "Worum geht es Ihnen eigentlich?" Bevor der Angesprochene lachend mit seinem Scooter davonbrauste, rief er zurück: "Um die Freiheit!" (Stefan Brändle, 1.10.2018)