Mit einem neuen Trainingskonzept, das auf einen spielerischen Zugang mit einer Smartphone-App setzt, wollen Forscher die Zivilcourage fördern. Dazu haben Experten des Austrian Institute of Technology (AIT) auch Experimente auf der Wiener Donauinsel oder im Stadtpark durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass oft erst spät eingegriffen wird, und eher seltener, wenn einander bekannte Personen streiten.

"Center for Technology Experience"

Nach einer Analyse bereits vorhandener Forschungsarbeiten zu dem Thema entwickelte das Team um Projektleiterin Julia Himmelsbach vom "Center for Technology Experience" des AIT für seine Untersuchungen zwei Drehbücher, die von zwei Schauspielerinnen im öffentlichen Raum dargeboten wurden. Einmal waren die Streitenden einander offensichtlich fremd, in der zweiten Bedingung kamen etwa Vorwürfe, für die man einander schon länger kennen muss. Um die Situation im öffentlichen Raum unter Kontrolle zu halten, setzte man auf zwei Frauen, die nicht körperlich gewalttätig wurden, um auch das persönliche Risiko für mögliche Eingreifer geringer zu halten. Forscher beobachteten die Abläufe genau und sprachen danach mit den beteiligten Personen.

In der Nachbetrachtung zeigte sich, dass viele Leute es schon als Eingreifen ansahen, wenn sie etwa nur aufstanden und Aufmerksamkeit signalisierten, sagte Himmelsbach im Gespräch mit der APA: "Nach unserer Definition haben wir das aber noch nicht als Intervention gewertet." Erst wenn jemand auf die Streitenden zuging und etwas sagte, war das für die Wissenschafter ein Eingreifen. Da das reine Signalisieren von Bereitschaft von den Schauspielerinnen gar nicht wahrgenommen wurde, braucht es offenbar mehr Einsatz in solchen Situationen.

Recht lange

Bei den Experimenten zeigte sich insgesamt, dass es "recht lange dauert", bis eingegriffen wird, sagte Himmelsbach. Oft habe man auch beobachtet, dass Leute die Täterin erst angesprochen haben, als der Konflikt bereits beendet war. Zur Überraschung der Forscher machte keiner der Passanten Bilder oder Videos von der Szenerie mit dem Handy. Viele Personen hätten ein Telefongespräch aber abgebrochen als der Streit entbrannte. Die Beobachtungen würden jedenfalls zeigen, dass in Trainings daran gearbeitet werden sollte, Gefahren rasch zu erkennen und dann auch entsprechend zu reagieren.

In der Variante, wo die Streitenden einander kannten, fühlten sich viele Menschen weniger verantwortlich. Es sei anzunehmen, dass sich hier Passanten eher nicht einmischen wollen, weil sie nicht in die Privatsphäre der Betroffenen eindringen wollen. Dafür, dass etwa Personen mit hoher Selbstkontrolle eher eingreifen, weil sie Fluchtgedanken besser unterdrücken können, konnten die Forscher in ihren Untersuchungen keine Bestätigung finden. Wenn Personen angaben, sehr stark auf ihre persönliche Sicherheit zu achten, gingen sie im Schnitt seltener auf die Streitenden zu.

Auf die Wichtigkeit von Zivilcourage für die Sicherheit der gesamten Gesellschaft alleine hinzuweisen, bringe demnach vielleicht nicht viel. Man müsse in einem Workshop eher stärker herausarbeiten, dass es ohne gesellschaftliche auch keine persönliche Sicherheit gibt, so die Forscherin. Außerdem müsse man in Trainings Strategien vermitteln, wie beim Einschreiten die eigene Sicherheit möglichst gewährleistet bleibt.

In dem im Rahmen des Sicherheitsforschungsförderprogramms "KIRAS" durchgeführten Projekt mit dem Titel "kURAGE: Erforschung von Zivilcourage und deren Förderung durch spielerische Erfahrungen" entwerfen Himmelsbach und ihr Team nun einen Plan für ein Spiel, mit dem solche Situationen simuliert und vor allem immer wieder gefahrlos wiederholt werden. Ein Spiel eigne sich in der Regel gut, um derart schwierige und negativ besetzte Themen zu bearbeiten. In einem Folgeprojekt soll dann eine Smartsphone-App entwickelt werden, so Himmelsbach. Sie soll dann Institutionen, wie etwa NGOs zur Verfügung gestellt werden, die Workshops und Trainings in dem Bereich anbieten. (APA, 1.10. 2018)