Stefanie Sargnagel achtet bei ihren öffentlichen Postings mittlerweile stärker auf politische Korrektheit und stört sich an der Anonymität ihrer Hassposter.

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Wann ist ein Witz gut? Wie viele Menschen verstehen überhaupt Satire im Internet? Und wie informieren sich jüngere Leute überhaupt über Politik? Fragen, mit denen sich auf der Digitalkonferenz in Wien Autorin Stefanie Sargnagel und "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch in einer Diskussionsrunde auseinandersetzten.

Die letzte Frage lässt sich, jedenfalls zum Teil, leicht beantworten. Jüngere Menschen informieren sich eher nicht im klassischen Programmfernsehen über Politik. Das Durchschnittsalter der Seher der ORF-Nachrichtenformate liegt über 50 Jahren. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für die deutsche "Tagesschau".

Die Algorithmen entscheiden

Die tatsächlichen Entscheider über Nachrichtenquellen sind, so schätzt Jergitsch, aber ohnehin weniger die Leser selbst, sondern die Algorithmen von Google, Facebook und Co. Je nachdem, wonach man sucht und was man anklickt, servieren die Plattformen ihren Nutzern Vorschläge.

Dass sich, wie unter Verweis auf die USA in den Raum gestellt wurde, Junge vermehrt über Satireseiten und Late-Night-Shows wie die "Daily Show" auf dem aktuellen Stand halten, denkt er nicht. Primär sei der Zweck von Satire nicht Information, sondern eine kritische Botschaft mit Anregung zur Reflexion.

Absichtliche Missverständnisse

Was missverstandenen Humor angeht, hat Stefanie Sargnagel Erfahrung. Zu größerer Bekanntschaft gelangte sie 2016 durch die Aufregung über ein Posting, mit dem sie die Haltung des damaligen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer zu Abtreibungen ins Visier nahm. Ihre Drohung, die Pille abzusetzen, um viel mehr abtreiben zu können, sorgte für empörte Reaktionen. Heftige Reaktionen erntete sie auch, als die "Krone" einen Abschnitt ihres im STANDARD veröffentlichten Reisetagebuchs aufgriff und ihr unterstellte, Gewalt gegen "Babykatzen" auszuüben.

"Ich glaube schon, dass Leute Witze verstehen", meint die Autorin zu diesen Begebenheiten. Denn viele würden auch Sitcoms schauen, deren Stilmittel – etwa die Übertreibung – im Prinzip die gleichen seien. Dementsprechend vermutet sie hinter den meisten Anfeindungen entweder absichtliches Missverstehen oder schlicht mangelnde Information. Viele, die ihr erzürnte Nachrichten geschrieben hatten, hätten ihren Reisetext anscheinend gar nicht erst gelesen.

Dass die meisten Menschen Humor und Satire als solche erkennen, sieht auch Jergitsch so. "Es macht mich auch ein bisschen traurig, wenn Medien uns für voll nehmen", sagt er. Dabei verweist er auf einen Lapsus des britischen "Guardian", der einen "Tagespresse"-Text über Sebastian Kurz als Quelle genutzt hatte. Man habe es eigentlich nicht darauf abgesehen, Leser "in die Irre zu führen".

Tabuthema Bastelshop

Was jedoch öfters vorkomme, ist, dass Leser nicht verstünden, gegen wen sich ein Witz richte. Zudem seien die Grenzen dessen, was Satire dürfe, "für jeden unterschiedlich". So berichtete die "Tagespresse" einmal darüber, dass die Wirtschaftskammer Österreich für ein Verbot selbstgebastelter Geschenke eintrete, da diese dem Handel schaden würden. Auf diesen "komplett harmlosen" Artikel erhielt man eine E-Mail vom Prokuristen eines Geschäfts für Bastelbedarf. "Satire schön und gut", hieß es in dem Schreiben. "Aber nicht über Bastelshops."

Darüber, welche humoristischen Inhalte im Netz erfolgreich sind, herrschte weitgehend Einigkeit. Es seien vor allem Dinge mit einer emotionalen Komponente und solche, die die Meinung der Leser zu einem gewissen Maß transportieren. Eine Strategie, derer sich auch die Boulevardmedien bedienen. "Ob wir zur Boulevardisierung beitragen, weiß ich nicht", so Jergitsch.

"Mir geht die Anonymität so auf die Nerven"

"Ein guter Witz hat einen provokativen Teil", findet dazu Sargnagel. Sie selbst denke mittlerweile mehr darüber nach, wen ihre Witze treffen, als noch vor ein paar Jahren. Ihre große öffentliche Reichweite habe sie "politisch korrekter" gemacht.

"Mir geht die Anonymität so auf die Nerven", meint sie in Richtung Hassposter. Würde sie jemand auf der Straße blöd anreden, könnte sie sich wenigstens gut wehren. Bei der "Tagespresse" hat man kaum mit derlei Botschaften zu kämpfen. Das, so vermutet Jergitsch, liege daran, dass es viel leichter sei, "auf eine Persönlichkeit hinzuhauen, als auf eine virtuelle Entität".

Dass die täglichen politischen Eskapaden zu einem Problem für Satiriker werden, verneint er – denn das Gegenteil sei der Fall. "Wir haben in tumultreichen Zeiten viel mehr Klicks. Die bizarren Sachen sind der Rohstoff, den wir brauchen." (gpi, 2.10.2018)