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Präsident Abdelaziz Bouteflika befindet sich bereits in seiner vierten Amtszeit.

Foto: AP/Djarboub
Grafik: STANDARD

Die beispiellose Entlassungswelle in Algeriens Sicherheitsapparat geht auch drei Monate nach der Demission des Chefs der mächtigen nationalen Polizeibehörde DGSN, Abdelghani Hamel, unvermindert weiter. Bereits Anfang September hatten algerische Medien berichtet, die Kommandanten der Luftwaffe und der Bodenstreitkräfte sowie der Generalsekretär des Verteidigungsministeriums seien auf Weisung von Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika ersetzt worden. Die Meldung wurde mittlerweile von Bouteflikas Büro offiziell bestätigt.

Gründe für die Personalwechsel wurden nicht genannt. Selbst die meist gut informierte regierungskritische Presse des Landes tappte lange im Dunkeln, zieht aber inzwischen verstärkt eine Verbindung zwischen den Entlassungen und dem spektakulären Fund von 701 Kilogramm Kokain im Hafen der Mittelmeerstadt Oran Ende Mai.

Nach Informationen der Mediengruppe Ennahar und der Tageszeitung El Watan habe ein Militärgericht in Blida südlich von Algier fünf jüngst entlassenen Generälen die Pässe entzogen und Untersuchungen wegen angeblicher Bereicherung gegen sie eingeleitet. Betroffen seien unter anderem drei kürzlich geschasste Kommandanten militärischer Regionalkommandos sowie der ehemalige Chef der Gendarmerie, General Menad Nouba.

Die zu Ennahar gehörende Internetseite Algérie24 berichtete derweil, den fünf Verdächtigen werde vorgeworfen, Scheinfirmen im Namen ihrer Kinder ins Leben gerufen zu haben – eine Meldung, die sich mit Ende August veröffentlichten Berichten deckt, in denen behauptet wird, algerische Behörden hätten in Zusammenhang mit der sogenannten Kokainaffäre Ermittlungen gegen meh rere Minister und deren Kinder sowie Angehörige hochrangiger Generäle aufgenommen.

Schweigen zu Hintergründen

Die Reichweite der Neuordnung im Polizei- und Militärapparat ist dabei beispiellos in Algeriens jüngerer Geschichte. Hamel war bereits im Juni entlassen worden, nachdem er die mit den Untersuchungen in der Kokainaffäre beauftragten Behörden indirekt der Korruption beschuldigt hatte. Nouba wurde Anfang Juli gefeuert, die Kommandanten der 1. und 2. Militärregion mussten Mitte August ihre Hüte nehmen. Wenige Tage später waren der Chef der Zentraldirektion der Armeesicherheit (DCSA) und der Chef des 4. Regionalkommandos an der Reihe. Auch mehrere Offizielle der Flughafen- und Zollbehörden mussten gehen.

Ob der Kokainfund der einzige Grund für die Entlassungswelle ist, bleibt unklar. Die Ermittlungsbehörden schweigen sich weiterhin zu den Hintergründen der Affäre aus und lassen damit die Spekulationen munter gedeihen. Die Säuberungsaktion könne durchaus ein Anzeichen dafür sein, dass der langjährige Machtkampf zwischen Bouteflika und Teilen des Militärs endgültig beendet sei, schreibt der meist gut informierte Journalist und Schriftsteller Adlène Meddi beim Nachrichtenportal Middle East Eye. Auch ein Zusammenhang mit der im April 2019 anstehenden Präsidentschaftswahl ist nicht unwahrscheinlich.

Bouteflikas Rivalen in Algeriens fragmentiertem und undurchsichtigem Machtgefüge erhöhen bereits seit 2013 den Druck auf dessen Clan. Damals hatte der seit 1999 amtierende Staatschef einen Schlaganfall erlitten und gilt seither als gesundheitlich stark an geschlagen. Dennoch gelang es seiner Regimefraktion 2015 die Macht des Militärgeheimdienstes DRS zu brechen.

Präsidentenwahl im April

Algeriens "graue Eminenz" – der als unantastbar geltende langjährige DRS-Chef Mohamed "Tewfik" Mediène – war damals überraschend pensioniert und der DRS kurz darauf reorganisiert und dem Präsidenten unterstellt worden. Ob es sich tatsächlich um eine machtpolitisch motivierte Säuberungswelle im Sicherheitsapparat handelt, um Bouteflikas Wiederwahl im April sicherzustellen, wird sich aber erst dann zeigen, wenn die Kandidatenliste für den Urnengang steht.

Noch hat Bouteflika seine Kandidatur nicht offiziell bekanntgegeben. Sein Clan wirbt jedoch bereits seit Monaten für dessen fünfte Amtszeit. (Sofian Philip Naceur, 2.10.2018)