Die geringe Beteiligung der Bürger am Referendum in Mazedonien, bei dem am Sonntag über die Änderung des Staatsnamens auf Nord-Mazedonien abgestimmt wurde, bestätigt zwei Phänomene. Erstens: Die irrationale Identitätspolitik, die von einem großen Teil der politischen Klasse seit dreißig Jahren auf dem Balkan betrieben wird, kommt weiterhin bei vielen Bürgern gut an. Im Fall von Mazedonien behaupten Nationalisten, die Bürger würden ihre "Identität" verlieren, wenn der Staat künftig Nord-Mazedonien heißen würde.

Viele Menschen glauben das tatsächlich, auch wenn die Änderung des Staatsnamens der einzige Weg ist, um die internationale Anerkennung und damit etwa eine Mitgliedschaft in der Nato zu ermöglichen. Die Westanbindung ist erklärtes Ziel der sozialdemokratischen Regierung, die dabei massiv von der EU und den USA unterstützt wird, auch um dem wachsenden russischen Einfluss in der Region etwas entgegenzusetzen.

Zweitens aber war es schlichtweg schwer, die Mehrheit der Bürger zum Abstimmen zu bringen, weil viele längst nicht mehr in Mazedonien leben. Oft unbemerkt vom Westen findet seit ein paar Jahren ein Massenexodus vom Balkan nach Deutschland statt. Hunderttausende sind bereits weg. Hätte man die Wählerlisten bereinigt, würde man sehen, dass die 661.393 Personen, die am Sonntag abstimmten, wohl fast die Hälfte der Wahlberechtigten ausmachen. (Adelheid Wölfl, 1.10.2018)