SPD-Chefin Andrea Nahles ging für die Sozialdemokraten in die Verhandlungen des Koalitionsausschusses.

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Berlin – Die Spitzen der großen Koalition in Deutschland haben sich auf eine neue Regelung für die Zuwanderung von Fachkräften geeinigt. Das teilte SPD-Chefin Andrea Nahles Dienstagfrüh nach sechsstündigen Beratungen mit. Damit soll Deutschland letztlich erstmals ein Einwanderungsgesetz bekommen, das sich an Vorbildern wie Kanada orientiert. Ziel ist es, dass mehr qualifizierte Arbeitnehmer aus Staaten außerhalb der EU nach Deutschland kommen.

"Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest", heißt es in einem Eckpunktepapier, aber auch: "Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind."

Einen ersten Gesetzesentwurf will Innenminister Horst Seehofer (CSU) noch in diesem Monat an die anderen Ressorts schicken. Das Kabinett soll das Gesetz noch vor Weihnachten auf den Weg bringen.

Fachkräfte aus EU- und Drittstaaten

Besonders im Fokus stehen Fachkräfte aus der EU – sie sollen leichter nach Deutschland kommen können. "Nachdem das hohe Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre auch durch die Zuwanderung aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gestützt wurde, geht dieser Wanderungssaldo derzeit zurück." Man werde sich stärker dafür einsetzen, diesen Fachkräften langfristige Chancen in Deutschland aufzuzeigen, heißt es in dem Papier. All diese Bemühungen würden jedoch nicht ausreichen, um genügend Erwerbstätige zu mobilisieren.

"Keine Zuwanderung unqualifizierter Drittstaatsangehöriger"

Streit gab es bis zuletzt um den von der SPD geforderten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte Asylwerber. Die Sozialdemokraten wollen, dass sie nach dem neuen Zuwanderungsrecht in Deutschland bleiben können. Vor allem die CSU lehnte das strikt ab, damit Wirtschaftsflüchtlinge nicht zur Einreise ermuntert werden.

Der Begriff "Spurwechsel" findet sich in den Eckpunkten nicht, dafür aber eine sinngemäße Regelung. Mit klaren Kriterien wolle man dafür sorgen, dass Vorschriften nicht missbraucht werden können. Die Zuwanderung von Fachkräften werde sich am Bedarf der Volkswirtschaft ausrichten und berücksichtige "die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebots und die Sicherung des Lebensunterhalts in angemessener Weise".

Keine Beschränkung auf bestimmte Berufe

Aus konjunkturellen Gründen können zudem per Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen zeitweise ausgeschlossen werden. Mit der Wirtschaft sollen Anwerbemöglichkeiten im Ausland verbessert und das Angebot an Deutschkursen ausgeweitet werden, damit die Arbeitskräfte sich schneller integrieren können.

Die bisherige Beschränkung auf Berufe, in denen die Bundesagentur für Arbeit Engpässe festgestellt hat, fällt weg. Auch auf die Prüfung, ob nicht ein einheimischer Jobbewerber Vorrang hätte, wird im Grundsatz verzichtet. Es soll aber möglich sein, diese Prüfung zum Schutz einheimischer Arbeitnehmer rasch wiedereinzuführen.

Weniger Voraussetzung für Einreise – vor allem in IT

Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung sollen – wie das bereits für Akademiker möglich ist – für bis zu sechs Monate auch ohne konkretes Jobangebot zur Arbeitssuche kommen dürfen. Der Bezug von Sozialleistungen wird ausgeschlossen – vor der Einreise ist ein Nachweis notwendig, wonach der Lebensunterhalt bestritten werden kann.

Für Fachkräfte der Informationstechnologie sollen noch geringere Voraussetzungen gelten. Sie und Fachleute in ausgewählten Engpassberufen sollen ohne jeden formalen Abschluss kommen dürfen, wenn sie über ausgeprägte berufspraktische Kenntnisse und einen Arbeitsplatz verfügen. (APA, dpa, red, 2.10.2018)