Diese "Mariamuttergottes" schält Erdäpfel und rückt Tische zurecht: Nicole Heesters kann den Mangel an Theologie leider auch nicht beheben.

Foto: Bo Lahola

Altes Testament, Neues Testament, Marias Testament. Letztgenanntes, verfasst von Colm Tóibín, wird die katholische Kirche gewiss nie in ihren Kanon aufnehmen. Einerseits weil Tóibín ein 1955 geborener irischer Romancier ist und kein frühchristlicher Anhänger. Andererseits weil ganz und gar skandalös ist, was seine Mariamuttergottes erzählt. Für die angeblichen Wundertaten des Sohnes hat sie nichts übrig. Stattdessen klagt sie Jahrzehnte nach dessen Kreuzigung in ihrem Exil in Ephesos ihren Schmerz.

Regisseur Elmar Goerden hat Nicole Heesters daraus ein Bühnensolo auf den Leib inszeniert. Die 81-Jährige fegt den Boden, schält Kartoffeln, stellt einen Tisch zurecht. Zwei Jünger Jesu verrücken ihn bei ihren Besuchen immer und erbauen darauf einen kleinen Schrein. Sie wollen von Maria alles über den Erlöser wissen. Doch sie bläst ihre Kerze aus und schlägt den Blumen die Köpfe ab. Marias Version des Geschehenen ist eine andere als die weltverändernde "erbauliche" Legende, die die zwei schreiben wollen. Sie hat als Mutter versagt. Der Sohn ist vom Weg abgekommen, als er von zuhause fortgegangen ist in die Stadt Jerusalem mit ihren Verlockungen. Seine Jünger? Sind Nichtsnutze! Das musste böse enden!

Jesus, ein Lausbub

Heesters ist nicht heilig zumute. Auf der kargen Bühne sind ihre Hände die wichtigsten Requisiten. Heesters schleudert sie von sich, wenn sie Wut ablässt, schüttelt sie, wenn sie spöttelt, und klammert sich an den eigenen Körper, wenn sie über das Kind greint. Heesters – eine alte Bekannte in Wien – stemmt den eineinhalb stündigen Monolog – eine Übernahme aus den Hamburger Kammerspielen – mühelos.

Hat je einer Maria gefragt, wie das mit der Empfängnis war? Tóibín füllt mit "Marias Testament" eine Lücke der Bibel. Viel Raum nehmen die Nacherzählung der Auferstehung des Lazarus und der Hochzeit von Kanaa ein. Sie glaubt die Wunder nicht, kann sie aber auch nicht sicher ausräumen. Jesus ein Lausbub mit Taschenspielertricks und toller PR? Die Ausgangslage ist zweifellos eine Idee. Allein, sie geht mäßig fesselnd auf. Dazu fehlen dem Abend je nach Geschmack trotz allem Gefühl Witz oder Theologie. (Michael Wurmitzer, 2.10.2018)