Manche physikalischen Experimente führen in die extremen Regionen des Teilchen-Mikrokosmos'. Was dort geschieht, dauert meist nur unfassbar kurze Momente. Kameras kommen dort schon lange nicht mehr mit – und doch gibt es Möglichkeiten, atomare Prozesse zeitlich aufzulösen: Einer Physikergruppe der TU Graz ist es nun gelungen, einen Vorgang zu beschreiben, der in einem suprafluiden Heliumtröpfchen innerhalb einer Billionstel Sekunde abläuft.

Markus Koch, Associate Professor am Institut für Experimentalphysik der TU Graz, konzentriert sich in seinem Forschungsgebiet auf Prozesse in Molekülen und Clustern, die auf Zeitskalen von Pikosekunden (10⁻¹² Sekunden) und Femtosekunden (10⁻¹⁵ Sekunden) ablaufen. Dabei ist ihm und seinem Team nun ein bedeutender Durchbruch auf dem Weg zur Erforschung völlig neuartiger molekularer Systeme gelungen: Mittels Femtosekundenspektroskopie, die es ermöglicht ultraschnelle Prozesse zeitaufgelöst zu messen, konnten die Grazer Forscher genau beschreiben, was in einem supraflüssigen, rund fünf Nanometer großen Heliumtröpfchen nach Fotoanregung eines Atoms im Inneren der Tröpfchen passiert.

Momentaufnahmen von Atombewegungen

Um diesen fundamentalen Prozess, der auf einer ultrakurzen Zeitskala von nur einer Billionstel Sekunde abläuft zu untersuchen, greift das Team rund um Koch auf die Femtosekundenspektroskopie zurück. Diese Methode ermöglicht Momentaufnahmen von Atombewegungen basierend auf dem Anregungs-Abfrage-Prinzip (englisch pump-probe). Als Versuchsanordnung wird ein einzelnes Indiumatom in ein winziges Heliumtröpfchen eingebracht. Das Indiumatom wird dann mit einem kurzen Laserpuls angeregt (pump) und überträgt Energie auf das umgebende Helium, das in eine kollektive Schwingung versetzt wird.

Ein zeitverzögerter zweiter Lichtblitz fragt dann diese dynamische Information des Systems ab (probe). "Wenn wir das Atom im Heliumtröpfchen fotodynamisch anregen, dehnt sich seine Elektronenhülle aus und die es umgebende Blase vergrößert sich innerhalb einer Pikosekunde nach Stimulation", erlärt Bernhard Thaler, Koautor der Studie. "Wir beobachten weiter, dass das Indiumatom nach etwa 50 bis 60 Pikosekunden gänzlich aus dem Tröpfchen ausgeworfen wird. Genaue Erkenntnisse zu diesen Dynamiken konnten wir jetzt durch die zeitaufgelöste Beobachtung des Prozesses erstmals gewinnen."

Ein Prozess, der geprägt ist von Superlativen: Von einer ultrakurzen Zeitskala im Femtosekunden-Bereich, in der die Teilchenbewegungen ablaufen und von Heliumtröpfchen mit nur wenigen Nanometern Durchmesser (was weniger als einem Tausendstel eines Haardurchmessers entspricht), die auf eine Temperatur von 0,4 Kelvin über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden. Mittels einer Simulationssoftware konnte das Team diesen Prozess sehr anschaulich darstellen, wie sie im Fachjournal "Nature Communications" berichten.

Grundlagenforschung mit Potenzial

Koch und seinem Team gelang damit der Nachweis, dass die ultraschnellen, elektronischen und nuklearen Dynamiken von Teilchen im Inneren von superfluidem Helium beobachtet und simuliert werden können. Die Forscher denken aber schon an die Zukunft: "Heute experimentieren wir noch mit einzelnen Atomen", sagt Koch, "aber nach diesem Proof of Concept nähern wir uns mit großen Schritten der Anwendbarkeit von Helium-Nanotropfen für die Untersuchung fotoinduzierter Prozesse in bisher unbekannten oder fragilen molekularen System mit technologischer oder biologischer Relevanz." (red, 2.10.2018)