Identitätsspiele: Latifa Laâbissi und Antonia Baehr sind Consul (einst Star einer Tiershow) und Meshie, der in den 1930ern in der Familie des Entdeckers Henry Raven aufwuchs.

Foto: Anja Weber

Antonia Baehr hat ein Faible für Tiere. In einer deutschen Theaterzeitschrift machte sie sich vor einigen Jahren so über Selbstbeschreibungen lustig: "Ich heiße Antonia Baehr und bin in Berlin geboren. Das Wahrzeichen der Stadt Berlin ist der Bär. Viele Leute sagen, ich sähe aus wie ein Bär." Beim Steirischen Herbst 2013 zeigte sie ein Solostück mit dem Titel Abecedarium Bestiarium. Affinitäten in Tiermetaphern.

Jetzt sind – im Tanzquartier Wien – die Affen dran. Zusammen mit der französischen Tänzerin und Choreografin Latifa Laâbissi verkörpert Baehr Consul und Meshie. Beide Künstlerinnen gastieren nicht zum ersten Mal im Tanzquartier, aber die Zusammenarbeit ist eine Premiere.

Man stelle sich vor: Zwei Frauen in einigermaßen speziell geschnittenen Affenkostümen haben auf dem Rücksitz einer Stretchlimousine eine gute Zeit. Aber Achtung, keine falschen Erwartungen! Die Bühnenbildnerin Nadia Lauro zeigt nur die Rückbank-Sitzlandschaft als Installation her, die restliche Limo bleibt weg. Sie wird nicht gebraucht, denn die Andeutung des Luxus auf dieser speziell auf die Performance zugeschnittenen "Bühne" genügt den Künstlerinnen.

Zu erleben gibt es unter anderem Anleitungen für richtiges Sticken und Krawattenbinden, eine neue Version von You Are My Sunshine, ein schwarzes Tutu passend zu La vie en rose, Sitztanz und eine Publikumsfütterung mit Nüsschen. Baehr und Laâbissi nehmen sich dreieinhalb Stunden Zeit, um ein komplexes Zeit- und Handlungsmuster auszubreiten.

Möglichst lange zuschauen

Consul und Meshie beginnt am Donnerstag um 18 Uhr. Das Publikum kann nach Belieben kommen und gehen – wer jedoch mit den Künstlerinnen in die Tiefe ihrer Entkoppelungen von Sinn und seiner Stiftung tauchen will, sollte trotzdem möglichst lange zuschauen.

Die Kostüme und Masken der beiden Performerinnen erinnern zwar an Kapuzineraffen, gemeint sind aber Schimpansen – und zwar historische Berühmtheiten: Consul trat zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Star einer Tiershow auf. Stets wie ein Gentleman gekleidet, war er dazu abgerichtet, die Zuschauer durch seine menschlichen Manieren in Entzücken zu versetzen. Und Meshie wuchs in den 1930ern in der Familie des Entdeckers Henry Raven mit einem Menschenbuben als "Bruder" auf.

Ironisch nehmen Laâbissi und Baehr die Identitäten von Meshie und Consul an und spielen den menschlichen Hang zur Entfremdung und Vermenschlichung durch. Und das nicht in den Räumen des Tanzquartiers, sondern in der Kunsthalle Wien, wo zeitgleich am Donnerstag auch das dreitägige Symposium "Antarctica" anläuft. Zu den Vortragenden dort zählen unter anderen die Philosophin Nina Power (4. 10., 19.00), der Politikwissenschafter Michael Hirsch (5. 10.) und die Kunsthistorikerin Angela Dimi trakaki (6. 10.). (Helmut Ploebst, 3.10.2018)