Regisseurin Jean Renshaw setzt auf Extreme: Überdrehte Comedy trifft in ihrer Inszenierung des Opernpasticcios "Die Zauberinstel" auf dröhnendes Burgtheater-Pathos.

Foto: Herwig Prammer

Er ist eine Leseratte, dieser Prospero: Das malerisch umflorte Bühnenportal der Kammeroper ist zur Gänze zugestellt von einem vollgerammelten Bücherregal. Zur Ouvertüre will es der einstige Herzog von Mailand wegschieben, aber geheime Kräfte drängen das Regal zurück. Dunkle Magie, der Prospero einst selbst nicht abgeneigt war?

Zur Eröffnung der Saison lädt man an der Wiener Kammeroper auf Die Zauberinsel. Dieses "Opernpasticcio" von Jean Renshaw und Dieter Senft basiert auf Shakespeares Spätwerk The Tempest, die musikalischen Beigaben stammen größtenteils von Henry Purcell. Auf szenischem Gebiet will sich der Musikauflauf leider nicht zu einem gschmackigen Ganzen runden: Durch die Kürzung des Librettos werden einige Figuren nur unzureichend eingeführt, der Handlungspfad birgt Holprigkeiten.

Viele Zwischentöne

Die Grundidee des Bühnenbilds – die Demontage der Bücherwand und der sich eröffnende Blick aufs Meer – ist zwar poetisch, trägt aber nicht über die Dauer von drei Stunden. Und als Regisseurin setzt Renshaw zu sehr auf Extreme: Überdrehte Comedy wechselt mit dröhnendem Burgtheater-Pathos.

Wie gut, dass auf musikalischem Gebiet mehr Zwischentöne zu erfahren sind. Das Bach Consort Wien musiziert unter Markellos Chryssikos nicht nur auf eine sinnliche, elegante Weise, sondern unterfüttert Gesprochenes auch mal mit einem neumusikalischen Geräuschhintergrund.

Und die spielfreudigen Mitglieder des Jungen Ensembles des Theaters an der Wien präsentieren sich als eine gesanglich hochklassige Truppe: allen voran Krjstján Jóhannesson als Prospero sowie Jenna Siladie und Ilona Revolskaya als dessen Töchter Miranda und Dorinda. Den Tänzer Martin Dvorák setzt Renshaw als Aktivposten zur Verlebendigung der Szene ein, sein Caliban erinnert an eine Kreuzung aus der Spinne Thekla und einer missglückten Hexenfigur aus dem Kinderfernsehkosmos von Thomas Brezina. Begeisterung. (sten, 3.10.2018)