Eigentlich sollte alles ganz anders kommen. Nie im Leben hätte Georg Öfferl daran gedacht, irgendwann in der Bäckerei seiner Mutter in Gaubitsch zu stehen. Viel zu lange musste er zusehen, wie die Familie Tag und Nacht arbeitete, um das Unternehmen im nördlichen Weinviertel am Leben zu erhalten.

Wie hart das Bäckergewerbe ist, hat der heute 27-Jährige von Kindesbeinen an mitbekommen. Als die großen Supermärkte in der Umgebung aufsperrten, brach nicht nur das Geschäft mit dem Brot ein, auch die an die Bäckerei angeschlossene Greißlerei lief nicht mehr so gut.

"Meine Mutter hat mit aller Kraft versucht, das Unternehmen über Wasser zu halten. Doch irgendwann war klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wir die Bäckerei zusperren müssen", erinnert sich Öfferl, der damals noch studierte.

Christian Benesch fotografierte Georg Öfferl und Lukas Uhl auf der Baustelle ihrer künftigen Bäckerei in der Wiener Wollzeile.
Foto: Christian Benesch

Heute, rund drei Jahre später, ist Georg Öfferl einer der gefragtesten Bäcker Wiens. Und das, obwohl die Bäckerei knapp 60 Kilometer von der Bundeshauptstadt entfernt liegt. Sein Brot wird heute in den angesagtesten Feinkostläden und Spitzenrestaurants der Stadt feilgeboten. Am Wochenende stehen Kunden Schlange auf den Wiener Märkten, um ihr "Öfferl-Brot" nach Hause tragen zu können.

Unterstützung

Mittlerweile arbeitet auch Cousin Lukas Uhl im Unternehmen mit. Auch er hat seinen Job an den Nagel gehängt, um ins Bäckereigewerbe einzusteigen. Sowohl Öfferl als auch sein Cousin sind seit einiger Zeit sogar Bäckermeister.

"Lukas ist zudem noch Müllermeister. Ich habe die Prüfung nicht geschafft", scherzt Öfferl. Dass irgendwann eine eigene Filiale in Wien folgen musste, war beiden klar. Dass es im März 2019 schon so weit sein soll, freut nicht nur Öfferls Stammkunden – auch der Bäcker selbst kann es kaum erwarten, endlich seine erste eigene Bäckerei zu eröffnen.

In bester Wiener Innenstadtlage, in der Wollzeile, entsteht in den nächsten Monaten eine Bäckereifiliale, die so ansprechend wie innovativ sein soll. "Wir haben uns viele Objekte angeschaut. Diese Räumlichkeiten sind perfekt für unsere Bedürfnisse", sagt Öfferl. Derzeit kann man sich noch nicht so recht vorstellen, dass hier schon bald unzählige Brote über den Ladentisch gehen sollen.

Neben einem Verkaufsraum wird es auch Sitzmöglichkeiten für 25 Gäste geben. Die Einrichtung soll schlicht sein, auf Holzregale wird bewusst verzichtet. Stein und Beton sollen jene Echtheit und Natur widerspiegeln, die sich auch in Öfferls Broten finden.

Noch ist hier eine Baustelle. Doch schon bald wollen Georg Öfferl (rechts) und Lukas Uhl in der Wiener Wollzeile frisches Brot backen und ihren eigenen Kaffee servieren.
Foto: Christian Benesch

In der angeschlossenen Schaubäckerei werden die zwei Bäckermeister täglich frisches Brot vor den Augen der Gäste backen. Kleine Speisen soll es ebenfalls geben – und den Kaffee aus eigener Röstung, auf den der Unternehmer besonders stolz ist.

"Mein Vater hat seine Leidenschaft für das Kaffeerösten entdeckt. Da liegt es irgendwie auf der Hand, dass wir unseren eigenen Kaffee machen. Die Röstmaschine ist schon unterwegs zu uns nach Hause. Den Rohstoff beziehen wir direkt von einem Kaffeebauern", erklärt Öfferl.

Der Unternehmer scheint zu wissen, was er will, und wirkt dabei ziemlich gelassen. Neben dieser Zielstrebigkeit und Lockerheit gibt es da aber auch immer wieder die Angst vor dem Scheitern. Doch der Optimismus überwiegt zum Glück, und der Erfolg scheint Öfferl seit Anbeginn recht zu geben.

In bester Wiener Innenstadtlage, in der Wollzeile, entsteht in den nächsten Monaten eine Bäckereifiliale, die so ansprechend wie innovativ sein soll.
Foto: Öfferl / Michael Reidinger

Vor ein paar Jahren fragte sich der junge Wirtschaftsingenieur, wie man eine Bäckerei betriebswirtschaftlich auf solide Beine stellen kann. Schnell war klar, dass das Brot bisher zu günstig verkauft, die Backmischungen zu teuer eingekauft wurden.

"Mein größtes Aha-Erlebnis hatte ich bei der Bäckermesse in Wels. Die bekanntesten Backmittelhersteller hatten dort riesige Stände. Da habe ich mich gefragt, was so ein Stand wohl kosten muss und wer das bezahlt. Die Antwort war relativ einfach: Wir haben diese Firmen unterstützt, indem wir ihre überteuerten Produkte gekauft haben. Selbst sind wir aber auf der Strecke geblieben", sagt Öfferl.

Qualitätsanspruch

Schnell war klar, dass man sich nur durch Qualität abheben kann. Und so besuchte Öfferl die Meisterschule in Wels, um das Handwerk des Bäckers zu erlernen. Parallel dazu experimentierte er in der Backstube der Mutter mit neuen Broten und traf irgendwann die Entscheidung, den Betrieb langfristig biologisch zu betreiben.

Heute werden an einem Wochenende rund 1600 Brote gebacken und großteils nach Wien geliefert.
Foto: Öfferl / Michael Reidinger

"Meine Familie war am Anfang gar nicht begeistert, als ich ihnen verkündet habe, dass ich die Bäckerei auf Bio umstellen will. Auch die Gesellen meiner Mutter haben mich am Anfang nicht ernst genommen. Ich habe in einer Ecke der Bäckerei meine eigenen Brote gebacken. Die Mitarbeiter haben oft über mich gelacht, weil ich natürlich viel langsamer war und sehr viel getüftelt habe. Einen Sack aufzureißen und eine Backmischung anzurühren ist natürlich einfacher, und der Teig gelingt immer", erzählt Öfferl.

Doch als ein Geselle sich irgendwann doch für das Brot des Jungbäckers interessierte, konnten die ersten eigenen Laibe für Kunden gebacken werden. Gerade einmal zwölf Stück waren es damals. Heute werden an einem Wochenende rund 1600 Brote gebacken und großteils nach Wien geliefert.

Bei Öfferl werden die Semmeln ausschließlich per Hand produziert. Die Rohstoffe für das gesamte Gebäck kommen direkt vom Bauern.
Foto: Öfferl / Michael Reidinger

Lukas Uhl, der kurz darauf in das Unternehmen kam, half dabei, den Markt in der Hauptstadt aufzubauen, und er ist für den Einkauf der Rohstoffe zuständig. "Ich kann mich noch an einen unserer ersten Kunden in Wien erinnern. Das war Haugg Delikatessen. Der Betreiber hat damals gesagt, wenn wir ihn beliefern wollen, müssen wir ihn die ganze Woche mit Brot versorgen. Das haben wir von da an gemacht", erzählt Uhl.

Durchbruch

Nachdem immer mehr Wiener Händler das Brot von Öfferl haben wollten, kam schon bald der erste Gastronomiekunde auf die beiden Bäcker zu. "Unseren wirklichen Durchbruch in Wien hatten wir mit dem Motto am Fluss. Nachdem wir den Auftrag bekommen hatten, hat sich die Brotmenge plötzlich verdoppelt. Bernd Schlacher und seinem Küchenchef Martin Zeisel verdanken wir heute einen Großteil unseres Erfolges", sagt Öfferl.

Um sich von der Masse abzuheben, hat der Bäckermeister damals begonnen, Garn um seine Brotlaibe zu wickeln und sie mit einem kleinen Kärtchen zu versehen. Mittlerweile sind diese eingebundenen Brote ein Markenzeichen. Und das, obwohl es gar nicht geplant war, das Garn beizubehalten.

"Irene Pöhl, ebenfalls eine unserer ersten Kundinnen, sagte damals, dass sie das Brot nur nehme, wenn wir es auch so schön verpacken. Und da wir sie sehr schätzen, haben wir also alle Brote mit Garn eingewickelt, und das tun wir bis heute. Das kostet zwar extra Zeit und Geld, es ist aber ein Wiedererkennungswert, der unbezahlbar ist", sagt Öfferl.

Diesen Wiedererkennungswert soll man auch in der neuen Filiale in Wien finden: "Die Leute sollen in der Schaubäckerei sehen, wie wir arbeiten. Wer zu uns kommt, muss sofort wissen, wie Öfferl tickt." Bis zur Eröffnung im März bleibt in der Wollzeile kein Stein auf dem anderen. Und wahrscheinlich auch danach nicht! (Alex Stranig, RONDO, 5.10.2018)

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