Halb Wohnzimmer, halb Bar: Bei Mindspace wird Mitgliedern viel Platz zum Netzwerken gegeben.

Ein Meeting im "Surf Room", oder doch lieber inmitten von High Heels? Das geht in der Idea Kitchen.

In München sind nicht nur die Wohnungspreise hoch, auch die Preise für ein eigenes Büro sind für manches Start-up kaum zu stemmen. Darum boomt Coworking. Dabei werden kleine Büroflächen flexibel gemietet, während man von der Infrastruktur – Service am Empfang, Reinigung, schnelles Internet – profitiert.

In München wächst die Auswahl rasant: Dort gibt es neben selbstgestrickten Konzepten zunehmend professionell gemanagte Angebote internationaler Vermarkter. Der US-amerikanische Konzern We Work mit bereits rund 268.000 Mietern weltweit hat erst Anfang August am Oskar-von-Miller-Ring seinen zweiten Standort in München eröffnet. Ein dritter ist schon geplant.

Und auch die Konkurrenz hat Bayern entdeckt: Mindspace – das Unternehmen wurde 2014 in Tel Aviv gegründet – arbeitet an einer Erweiterung eines Standorts am noblen Viktualienmarkt um zwei zusätzliche Stockwerke. Gleichzeitig wird am Stachus am bisher größten Mindspace-Standort gebaut. Nach seiner Fertigstellung im Herbst werden hier 1000 Menschen nebeneinander arbeiten können und sich im riesigen Eventspace vernetzen.

Karrierechancen und Projekte

Denn um die Synergien, die aus dem Arbeiten nebeneinander entstehen, geht es vielen beim globalen Trend des Coworkings. Katharina Hollering, Community-Managerin bei Mindspace am Viktualienmarkt, weiß von Karrierechancen und Projekten, die erst durch das Netzwerken im Coworking-Space entstanden sind.

Das hat seinen Preis: Den eigenen Schreibtisch gibt es bei Mindspace ab 450 Euro. Dafür kann man Tag und Nacht ins Büro – und ist Teil der Netzwerkevents, die von Mindspace, aber auch von Mitgliedern organisiert werden. Ein Büro für 20 Personen – etwa für Konzerne, die einzelne Teams hierher auslagern – kann mit bis zu 14.000 Euro pro Monat zu Buche schlagen. "Diese Unternehmen profitieren von der kreativen Atmosphäre vor Ort", sagt Hollering.

Mit einem traditionellen Büro haben solche Coworking-Spaces wenig gemeinsam. "Es soll ein bisschen so sein wie zu Hause im Wohnzimmer", erklärt Hollering bei einer Führung durchs Büro. Im Eingangsbereich stehen wie zufällig verstreut Vintagemöbel vom Flohmarkt, die dem Standort Individualität verleihen. Die Möblierung erinnert mehr an ein Kaffeehaus als an ein Büro. Eine Bar gibt es auch, an der sich die Coworker mit Kaffee – oder Bier – versorgen können. An den kleinen Tischen, die in der Lounge aufgestellt sind, haben sich kleinere Grüppchen für informelle Besprechungen eingefunden.

Telefonieren im Kämmerlein

Nicht weit von ihnen arbeiten an ihren Schreibtischen die Coworker im Open-Space-Office. Wer telefonieren muss, zieht sich in ein gläsernes Kämmerlein zurück. Wer mehr bezahlt, bekommt ein eigenes Büro. Fragen zu Sicherheit und Privatsphäre werden laut Hollering immer wieder gestellt – daher seien geschützte IT-Systeme und Zugangskontrollen wichtig.

Szenenwechsel. Das, was die Idea Kitchen im Münchner Stadtteil Sendling Coworkern bietet, ähnelt alldem nur auf den ersten Blick. Auch hier können flexibel Schreibtische gemietet werden – allerdings weitaus günstiger: Der fixe Schreibtisch kommt hier im Monat auf gut die Hälfte dessen, was der Schreibtisch von Mindspace am Viktualienmarkt kostet.

Dafür gibt es auch weniger Service: Abendveranstaltungen werden von den Coworkern selbst organisiert. In der Küche muss jeder selbst abwaschen, darauf wird auf einem kleinen Zettel dezidiert auf Englisch hingewiesen.Surfbrett und High HeelsProfit stehe bei der Idea Kitchen nicht im Vordergrund, sagt einer der Initiatoren, Vladi Taranovych, bei einer Führung durch das von außen schmucklose Hintergebäude.

Als Chef fühlen

Die Räumlichkeiten sind umso origineller. Nach Büro sieht es hier nicht aus. In einem Raum hängt ein Surfbrett an der Decke. Hier steht auch ein massiver Schreibtisch mit Löwenskulptur aus Stein, der im modernen Space fehl am Platz wirkt. "Hier kann man sich als Chef fühlen", erklärt Taranovych schmunzelnd.

Ein paar Schritte weiter befindet sich der "Iron Room", der mit alten Bügelbrettern und -eisen an der Wand dekoriert wurde. Die Regale im Meetingraum "High Heels" wurden mit – erraten – hohen Hacken ausstaffiert.

Am wichtigsten sei für Coworking nicht unbedingt die Lage, sondern die Anbindung an die Öffis, ist Vladi Taranovych überzeugt. "Der Space muss aber nicht direkt im Zentrum sein."

Privatsphäre als Thema

Und wie schaut die Situation in Wien aus? Auch hier wird die Ankunft internationaler Coworking-Unternehmen bereits erwartet. Bei Mindspace findet man den österreichischen Markt durchaus interessant, heißt es auf Nachfrage: "Wir beobachten die Marktentwicklungen und das stetige Wachstum der Coworking-Szene mit großem Interesse."

Elisa Stadlinger, Büroexpertin des Wiener Maklerunternehmens ÖRAG Immobilien, findet Coworking gut. Sie betont aber: "Dieses Konzept funktioniert nur für einzelne Branchen." Denn Synergien hin oder her: Unternehmen, die beispielsweise mit sensiblen Daten oder an Erfindungen arbeiten, könnten so ausspioniert werden.

Auch Firmen, die Wert auf ein Wirgefühl innerhalb ihres Unternehmens legen und die Corporate Identity fördern wollen, seien mit einem eigenen Büro wohl besser beraten. (Franziska Zoidl, 6.10.2018)