Die WGKK kritisiert die Entwicklungen scharf.

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Ingrid Reischl, hier noch gut gelaunt bei einer Pressekonferenz 2017. Heute befürchtet sie reale Verschlechterungen.

Wien – Die Wiener Gebietskrankenkasse hat am Mittwoch ihre Kritik an der Sozialversicherungsreform bekräftigt. Obfrau Ingrid Reischl erwartet Verschlechterungen für die Versicherten, weniger Kontrollen von Scheinselbstständigen sowie mehr Bürokratie für Unternehmen. Sie droht mit einer Verfassungsklage, sollten die türkis-blauen Vorhaben nicht geändert werden.

Wie berichtet soll die Reform nicht nur eine Reduktion der SV-Träger von 21 auf fünf, sondern auch eine Verlagerung der SV-Prüfer von den Gebietskrankenkassen zur Finanz bringen. Da man hiermit in die Finanzautonomie der Selbstverwaltung eingreife, sei der Gesetzesentwurf sicher verfassungswidrig, ist Reischl überzeugt.

"Bedenkliche Vorgangsweise"

Neben der aus "arbeitsrechtlicher Sicht bedenklichen Vorgangsweise", rund 300 GKK-Mitarbeiter gegen ihren Willen der Finanz zuzuweisen, erwartet Reischl auch Verschlechterungen bei den Prüfungen. Die Finanz prüfe nur nach dem Zuflussprinzip (also der Frage, ob Steuern korrekt bezahlt wurden) – die Krankenkassen würden derzeit hingegen auch kontrollieren, ob Menschen im richtigen Kollektivvertrag eingestuft sind oder Überstunden korrekt bezahlt wurden (Anspruchsprinzip). Gehe man davon ab, führe das in der Folge zu finanziellen Einbußen bei Arbeitslosengeld, Pension, Kranken- oder Karenzgeld.

Erhebungsdienst zur Finanz soll wandern

Besonders problematisch ist für Reischl, dass neben den GPLA-Prüfern (gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) auch der sogenannte Erhebungsdienst zur Finanz wandern soll. Dieser biete derzeit unbürokratische Hilfe auf kurzem Weg (etwa bei Nichtanmeldung zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber) und werde allein in Wien jährlich 13.000-mal in Anspruch genommen. Künftig muss die Finanz solche Beschwerden nur mehr prüfen, wenn sie es für "erforderlich und zweckmäßig" hält, weshalb Reischl reale Verschlechterungen befürchtet. Alternativ wäre der Gang zum Verwaltungsgericht möglich, was aber mitunter einige Jahre dauern könne.

Bescheide trotzdem ausstellen

Zudem komme laut WGKK vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen ein Mehraufwand zu. Denn: Zwar wird die SV-Prüfung künftig bei der Finanz durchgeführt, Bescheide müssten aber erst recht wieder von der Krankenkasse (in Zukunft heißt sie Österreichische Gesundheitskasse, ÖGK) ausgestellt werden. "Da wird die Bürokratie nur so wuchern", glaubt Reischl. Zudem brauche die ÖGK dann erst recht wieder Personal für die Bescheidausstellung, sagte Herbert Choholka, Abteilungsleiter für Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen im Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

Die WGKK appellierte daher an die Regierung, von diesem Vorhaben abzurücken. Profiteure seien nur größere Unternehmen, die sich Geld ersparten, weil die Finanzprüfer weniger effektiv als die GKK-Prüfer seien, lautet Reischls Befund. (go, 3.10.2018)