Die britische Premierministerin Theresa May drohte bei ihrer Parteitagsrede der EU ebenso wie ihren parteiinternen Rivalen. Zuvor war sie zu den Klängen von Abbas "Dancing Queen" auf die Bühne getanzt.

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Birmingham/London – Nach der Fundamentalkritik ihres parteiinternen Rivalen Boris Johnson vom Dienstag hat die britische Premierministerin Theresa May ihren Brexit-Kurs verteidigt. Ihre Pläne für die Austrittsvereinbarung mit der EU seien im nationalen Interesse, sagte May am Mittwoch in Birmingham. In der mittelenglischen Metropole hatten die regierenden Konservativen in den vergangenen Tagen ihren Parteitag abgehalten.

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch analysiert die Rede von Premierministerin Theresa May zum Abschluss des Tory-Parteitags.
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Ihre eigene, schwer zerstrittene Fraktion nahm sie hart ins Gericht. Die Tories müssten in der Frage des EU-Austritts zusammenstehen. Wer gegen jegliche von ihr erreichte Vereinbarung mit der EU sei, habe lediglich seine eigenen politischen Interessen im Blick, nicht aber das Land, sagte May mit einem deutlichen Seitenhieb auf Johnson. "Wenn wir jetzt in unterschiedliche Richtungen gehen, auf die Suche nach dem perfekten Brexit, dann riskieren wir, dass es am Ende gar keinen Brexit gibt", sagte sie.

May nahm damit Bezug auf Umfragen: Diese zeigen seit Monaten einen Meinungsumschwung der Briten – Mehrheiten zwischen 52 und 54 Prozent sind mittlerweile gegen den Brexit. Bei Neuwahlen könnte die Labour-Partei, die zwar die EU verlassen, aber im Binnenmarkt bleiben will, eine Mehrheit erringen.

Drohungen mit Chaos

Allerdings drohte May, die zu den Klängen von Abbas "Dancing Queen" auf die Bühne getanzt war, auch Brüssel: Ihre Regierung sei bereit, die EU ohne eine Austrittsvereinbarung zu verlassen, wenn kein gutes Abkommen für Großbritannien möglich sei. Das wäre aber für beide Seiten eine schlechte Lösung. Sie erwarte sich allerdings, von der EU "mit Respekt" behandelt zu werden.

Am Dienstag hatte Ex-Außenminister Johnson unter dem Jubel vieler Delegierter die Abkehr von Mays Austrittsstrategie gefordert und sich zugleich als ihr Nachfolger in Stellung gebracht. Johnson fordert wie andere Brexit-Hardliner eine striktere Trennung von der EU.

Rund ein halbes Jahr vor dem angepeilten Austritt Ende März steht May in ihrer Partei und in der EU unter Druck. Sie strebt eine Freihandelszone mit der EU für Waren, nicht aber für Dienstleistungen und den freien Personenverkehr an und will einen Teil der gemeinsamen Regeln beibehalten. Das lehnen die EU-Partner, aber auch Teile ihrer eigenen Partei ab. Bei einem ungeregelten Brexit werden große politische und wirtschaftliche Verwerfungen befürchtet.

Vorbereitungen für den Ernstfall

Wegen der Unsicherheit laufen in der EU bereits Vorbereitungen für den Fall eines chaotischen Brexits, den es dann geben würde, wenn die Verhandlungen vollends scheitern. Frankreichs Regierung etwa hat am Donnerstag das Parlament um eine Vollmacht gebeten, um wichtige Themen wie mögliche Zollkontrollen über Verordnungen regeln zu können.

Eine gute Austrittsvereinbarung sei zwar weiterhin möglich, sagte die französische Europaministerin Nathalie Loiseau am Mittwoch. "Trotzdem müssen wir uns auf alle Szenarien vorbereiten." (Reuters, APA, mesc, 3.10.2018)