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Der designierte irakische Premier Adel Abdul Mahdi (links) und der am Dienstag gewählte Staatspräsident Barham Salih. Abdul Mahdi hat nun dreißig Tage Zeit, eine Regierung zu bilden.

Foto: AP / Karim Kadim

Der Stillstand ist gebrochen, viereinhalb Monate nach den Parlamentswahlen ist der Weg für eine Regierungsbildung im Irak frei. Am Dienstagabend wurde im Parlament in Bagdad der Kurde Barham Salih zum Staatspräsidenten gewählt, unmittelbar danach designierte er Adel Abdul Mahdi als Premier. Der Schiit hat nun dreißig Tage Zeit, eine Regierung zu bilden. Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. Der Parlamentspräsident ist der Sunnit Mohammed al-Halbusi.

Dennoch ist die Designierung Adel Abdul Mahdis gewissermaßen eine Wende. Er wird der erste Regierungschef des Irak seit 2005 sein, der nicht der ältesten schiitischen Partei, der Dawa, angehört. In einer Geste der nationalen Einheit wurde er von den beiden großen schiitischen Blöcken im Parlament – die darum streiten, welcher größer ist – als Kandidat nominiert. Das sind auf der einen Seite Wahlsieger Muqtada al-Sadr und der noch amtierende Premier Haidar al-Abadi und auf der anderen die Iran-freundliche Milizenkoalition um Hadi al-Amiri und Expremier Nuri al-Maliki (2006-2014).

Die Erleichterung ist groß, denn die Lage ist angespannt. Inmitten des langen politischen Vakuums, das mit einer teilweisen Nachzählung der Stimmen wegen Betrugsvorwürfen begann, waren im Sommer im südirakischen Basra blutige Proteste wegen der katastrophalen Lebensbedingungen ausgebrochen. In den vergangenen Wochen schockt zudem eine Mordserie an jungen Frauen aus der Modebranche sowie an einer Aktivistin aus Basra das Land.

Die höchste schiitische Autorität des Irak, Ayatollah Ali Sistani, hatte sich auf die Seite der Demonstranten in Basra gestellt und gefordert, dass neue politische Kräfte die Regierung übernehmen. Adel Abdul Mahdi gehört zwar nicht der bisher regierenden Dawa-Partei an, er gehört jedoch zum alten politischen Inventar des Landes nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein durch die US-Invasion 2003.

"Revolution" ist gestrichen

Der 76-Jährige war Vizepräsident und Ölminister. Seine politische Heimat ist im einstmaligen "Obersten Rat für die Islamische Revolution im Irak" (Sciri), der – der Name sagt es – 1982 im Iran gegründet wurde. 2003 arbeitete die Sciri mit den USA zusammen, die "islamische Revolution" strich sie in der Folge aus dem Namen. Sie vertritt auch nicht die Einführung des politischen iranischen Systems im Irak. In den vergangenen Jahren distanzierte sich Abdul Mahdi von der Partei, er gilt deshalb als unabhängig. Wie viele irakische schiitische Islamisten war Adel Abdul Mahdi in seiner Jugend Mitglied der Kommunistischen Partei.

Streit der Kurden

So glatt die Nominierung des neuen Premiers vonstattenging, so kontrovers verlief zuvor die Wahl von Präsident Barham Salih. Er wurde von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) aufgestellt, die er 2017 verlassen hatte, um eine neue Partei zu gründen, und zu der er erst Mitte September wieder zurückgekehrt war. Seit 2005 Jalal Talabani zum ersten kurdischen Präsidenten des Irak gewählt wurde, war der Posten in der Hand der PUK. Auf Talabani war 2014 Fuad Massum gefolgt.

Dieses Arrangement bestand, weil die größte kurdische Partei, die KDP (Demokratische Partei Kurdistans) von Massud Barzani, die Präsidentschaft in der autonomen kurdischen Region innehatte. Aber Massud Barzani trat Anfang November 2017 zurück, nachdem Bagdad mit voller, sogar militärischer Härte auf das von Barzani initiierte Unabhängigkeitsreferendum reagiert hatte. Deshalb war die KDP der Meinung, dass sie nun als größte kurdische Partei Anspruch auf den Posten des irakischen Staatspräsidenten hätte.

Barzani nominierte seinen ehemaligen Kabinettschef, Fuad Hussein. Als dieser am Dienstag in einer ersten Wahlrunde dem PUK-Kandidaten Barham Salih unterlag, wollte ihn Barzani vor der zweiten Runde zurückziehen, mit dem Argument, dass er das Wahlprozedere nicht anerkenne. Parlamentspräsident al-Halbusi lehnte das jedoch ab und ließ die Abstimmung fortsetzen.

Barham Salih war in seiner Karriere nach dem Sturz Saddam Husseins Vizepremier in Bagdad und Premier in Erbil. Er studierte in Großbritannien und lebte jahrelang in Washington. (Gudrun Harrer, 3.10.2018)