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Putin und Kurz werden durch die Ausstellung in der Eremitage geführt.

Foto: Reuters

Sebastian Kurz traf schon wieder Wladimir Putin, die OMV kommt bei einem lange angestrebten Russland-Deal einen großen Schritt weiter. Zufall oder nicht: Der österreichische Bundeskanzlers und der Chef des heimischen Energiemultis, Rainer Seele, kommen nicht mit leeren Händen aus St. Petersburg zurück, wo Kurz mit dem russischen Staatspräsidenten eine Ausstellung in der Eremitage eröffnet hat. Es war bereits das vierte Treffen der beiden Politiker in diesem Jahr.

Ein vielbeachtetes Tänzchen von Außenministerin Kneissl mit Präsident Putin.
Foto: AFP/Alexei Druzhinin

Dass die hohe Besucherfrequenz mancherorts für Stirnrunzeln sorgt – insbesondere Putins Abstecher zur Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl in die Steiermark hatte kritische Äußerungen hervorgerufen –, ficht den österreichischen EU-Ratsvorsitzenden nicht an. "Gerade mit Nachbarn, mit denen es Spannungen gibt, braucht es einen guten Dialog", sagte der ÖVP-Chef.

FPÖ im Beiwagen

Die Spannungen beziehen sich auf die Annexion der Krim, den Konflikt in der Ostukraine und die gegenseitigen Sanktionen, wobei Kurz nicht gerade als Verfechter von Strafzöllen und anderen Maßnahmen gegen den Kreml gilt. Er hat sich schon öfter für ein Ende des "Blockdenkens" und eine Trendumkehr in den Beziehungen ausgesprochen. Gleichzeitig gibt sich der aktuelle Ratsvorsitzende nicht die Blöße, die EU-Beschlüsse öffentlich infrage zu stellen. Nachsatz: Auch wenn die FPÖ, die außenpolitisch über Kneissl im Beiwagen sitzt, das gern hätte.

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Putin und Kurz am Mittwoch in der Eremitage in St. Petersburg.
Foto: Reuters/Dmitri Lovetsky

Doch auch mit Sanktionen lassen sich gute Geschäfte machen. Vor allem die OMV setzt stark auf Russland, zu dessen Staatsspitze Konzernboss Seele beste Beziehungen unterhält. Der Deutsche hat nun für den teilstaatlichen Betrieb das zuwege gebracht, was ihm schon in seiner Amtszeit als Chef der deutschen BASF-Tochter Wintershall geglückt ist – den Einstieg in ein großes Gasfeld in Sibirien namens Urengoi. Und auch bei einem zweiten Großvorhaben nutzt Seele die politische Unterstützung: beim Bau der zweiten Gaspipeline Nord Stream 2 von Deutschland durch die Ostsee nach Russland.

Norwegens Blockade

Wie heikel die Gratwanderung ist, lässt sich am Beispiel Urengoi gut darstellen. Vor zweieinhalb Jahren hat Seele mit der russischen Gazprom ein Tauschgeschäft vereinbart. Die OMV soll einen Viertelanteil an zwei Urengoi-Blöcken erhalten, die Russen bekommen im Gegenzug die Beteiligung der Österreicher an norwegischen Förderungen. Doch Oslo hatte keine Freude damit, dass sich der russische Gigant im eigenen Land ausbreitet – und verweigerte bis zuletzt den Sanktus für den Deal.

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Rainer Seele (ganz links) und Gazprom-Chef Alexej Miller (ganz rechts) unterzeichnen im Beisein von Kurz und Putin den Gasvertrag.
Foto: Reuters/Dmitri Lovetsky

Daher hat Seele umdisponiert: Er kauft sich mit Cash in Sibirien ein und behält die norwegischen Bohrinseln. Zupass kommt der OMV dabei der beachtliche Turnaround des Konzerns: 2016, bei der Vereinbarung des ursprünglichen Geschäfts mit Gazprom, hätte den Österreichern schlicht das Geld für den Deal gefehlt, der immerhin eine knappe Milliarde Euro verschlingt.

Ein Drittel mehr Gas

Nun steht die OMV wieder gut da, und die Überweisung stellt für sie keine große Herausforderung dar. Wirtschaftlich ist das Engagement nicht zu unterschätzen: Mit einer Produktion von bis zu 80.000 Fass Öläquivalent am Tag will die OMV ihre Gaskapazitäten dank Urengoi in zwei bis drei Jahren um rund ein Drittel erhöhen.

Allerdings haben die Russen nichts zu verschenken. Neben dem Kaufpreis muss Seele auch restriktive Vertragsbedingungen akzeptieren. Ein Teil des geförderten Gases wird demnach zum niedrigen russischen Inlandspreis an Gazprom abgetreten, was den Wert der Produktion deutlich schmälert.

Umstrittene Leitung

Die Brücke macht Kurz der OMV auch beim Projekt Nord Stream 2, gegen das es massive Bedenken gibt. Einerseits kämpfen unter anderem osteuropäische Staaten wie Polen gegen die Leitung, weil sie als Transitländer umgangen werden und der Einfluss Russlands steigt. Die Ukraine rebelliert aus gleichen Gründen, die USA haben schon gedroht, ihre Sanktionen auf Pipelines auszuweiten, was auch Beteiligte wie die OMV treffen könnte.

Dazu kommen geopolitische Weckrufe, ist doch Europa jetzt schon massiv von russischem Gas abhängig. Auch in der EU-Kommission gibt es kritische Stimmen, neben der Dominanz der Gazprom hat Brüssel dabei die Energiemarktregeln im Auge, beißt dabei aber auf Granit.

Die Kommission versucht nun, für mehr Wettbewerb bei der Durchleitung von Gas zu sorgen, hat aber auch hier Schwierigkeiten. Vor allem, weil Deutschland als Ziel von Nord Stream 2 voll hinter der Pipeline steht. Österreichs Position wird auch hier von OMV und Gazprom geleitet. Als Ratsvorsitzender hat sich Wien laut Insidern stark engagiert, um die Einwände Brüssels auf der Prioritätenliste weit nach hinten zu setzen. Somit werden die Rohre schon fleißig in der Ostsee verlegt. Es sieht ganz danach aus, dass Kurz und Putin die guten Geschäfte weiter ankurbeln. Solidarität mit Polen und anderen osteuropäischen spielt da keine Rolle. Sanktionen ebenso wenig. (Andreas Schnauder, 4.10.2018)