Archivbild des sogenannten Horrorhauses, das Anwohner deutschen Medienberichten zufolge erwerben wollen, um es abreißen zu lassen.

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Abartig sei das gewesen, krank, eine systematische Entmenschlichung der Frauen. Und das sagte der Anwalt der Angeklagten. In einem waren sich also alle einig: Was sich im sogenannten Horrorhaus von Höxter abspielte, war unvorstellbar. Und doch, in einem Haus in Nordrhein-Westfalen, in einer tief katholischen Region, haben die Angeklagten Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika W. jahrelang zahlreiche per Kontaktanzeige angelockte Frauen psychisch und physisch misshandelt und finanziell ausgebeutet. Zwei Frauen starben infolge der Qualen.

Am Freitag folgte nach rund 60 Verhandlungstagen das Urteil. Angelika W. wurde wegen der Taten zu 13 Jahren Haft verurteilt. Ihr Gatte Wilfried muss elf Jahre hinter Gitter. Bei der 49-Jährigen habe die Kammer von einer lebenslangen Haft abgesehen, weil sie umfassend ausgesagt und zur Aufklärung beigetragen habe. Der 48-jährige Wilfried W. sei vermindert schuldfähig, so dass eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht infrage komme, sagte der Vorsitzende Richter.

Angelika W. entschuldige sich bereits vor dem Urteil "in aller Form" bei den überlebenden Opfern. Ihr Mann regte eine Behandlung für sich selbst an. Er habe nicht gewusst, was richtig und falsch sei. "Insofern wäre eine Therapie gar nicht so schlecht."

Die Liste der Qualen, die die beiden ihren Opfern zugefügt hatten, ist lang: Stöße, Schläge, Würgen, das Abschneiden der Haare, Attacken mit Pfefferspray oder das Gezwungenwerden, Urin zu trinken, sind nur einige der Misshandlungen. Weitere Details hat der Oberstaatsanwalt im Prozess am Landgericht Paderborn aus Rücksicht auf die Nebenkläger nicht genannt. Auf alle Fälle starben zwei der Opfer infolge dieser Quälereien.

Wilfried W. kann sich noch äußern

Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten zweifachen Mord durch Unterlassen und versuchten Mord vorgeworfen und lebenslange Haftstrafen gefordert. Die Verteidiger von Wilfried W. hingegen haben eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und die Einweisung des 48-Jährigen in die Psychiatrie beantragt. Wilfried W. hat vor der Urteilsverkündung noch die Gelegenheit, sich zu äußern.

Wer von den beiden tatsächlich für die Taten verantwortlich ist, das war die große Streitfrage. Immer wieder gab es gegenseitige Schuldzuweisungen der beiden Angeklagten. Die forensische Gutachterin Nahlah Saimeh gab schließlich die Antwort. Ihrer Analyse zufolge hatte das Paar ein perfektes System entwickelt, um Frauen in die Falle zu locken. Angelika W. weist demnach Züge von Autismus auf und kann kein Mitleid für ihre Mitmenschen oder Opfer empfinden. Sexualität setze sie als Machtinstrument ein. Sie sei hochintelligent, extrem herrschsüchtig und machtbewusst.

Als schwachsinnig eingestuft

Wilfried W. dagegen ist der Gutachterin zufolge im juristischen Sinne schwachsinnig. Seine Weltsicht sei vergleichbar mit der eines Grundschulkindes. "Schuld oder Verantwortung sind ihm nicht beizubringen", sagte die Gutachterin in ihrer Stellungnahme. Wilfried W. sei nur vermindert schuldfähig und sollte in eine Psychiatrie eingewiesen werden.

Wie dieses System im Detail aussah? Angelika W. und Wilfried W. suchten sich meist Frauen aus, die psychisch labil waren und nur wenige soziale Kontakte hatten. Meldeten sich Frauen, auf die das nicht zutraf, wurden diese Kontakte schnell beendet.

Die Opfer, die blieben, wurden durch sogenanntes Gaslighting gefügig gemacht. Sie wurden gezielt desorientiert, manipuliert und ihres Selbstbewusstseins beraubt. Angelika W. und Wilfried W. nahmen den Frauen demnach Geld, Handy und Führerschein ab. Gab es noch Kontakte zur Familie oder zu Freunden, wurden diese beispielsweise durch gefälschte SMS-Nachrichten torpediert und dann gekappt.

Zerstückelt und verbrannt

Nicht alle Fragen konnten in dem Prozess geklärt werden, etwa die genaue Todesursache des Opfers Anika W. aus Niedersachsen. Das Paar soll die Leiche 2014 in einer Tiefkühltruhe eingefroren, zerstückelt und verbrannt sowie die Asche an Straßenrändern verteilt haben.

Susanne F. starb 2016 im Krankenhaus – einen Tag, nachdem eine Autopanne der Angeklagten die Ermittlungen ins Rollen brachte. Sie wollten die Schwerverletzte auf der Rückbank ursprünglich nur in deren Wohnung zurückbringen. (ksh, dpa, 5.10.2018)