So wie die Dinge laufen, drängt sich die Frage auf, wo wäre dieses Land, wo wären vor allem die Freiheitlichen ohne die bodenständige Rechtsfigur der Unschuldslamperlvermutung. Wann immer einem blauen Funktionär ein rassistischer oder fremdenfeindlicher Rülpser entströmt, und damit kann man fast wöchentlich rechnen, wird zunächst einmal verharmlost. Erst wenn man schon im Ausland die Ohren spitzt, verschwindet der Betreffende in der Versenkung – vorübergehend, denn was war schon dabei?

Zum Virtuosen der Unschuld hat es der Innenminister in seinem Bestreben gebracht, seine Lamperlhaftigkeit mit der Märtyrerkrone eines unverstandenen Liebhabers der Pressefreiheit zu überwölben. Nach all dem, was er sich seit seiner Amtsübernahme geleistet hat, wäre er in keinem zivilisierten Land noch Minister. Dass er es ist, verdankt er einem Regierungschef, der sich zwischen wohlwollender Duldung des benötigten Partners und eiskalter Wurschtigkeit in demokratiepolitischen Anstandsfragen zu nicht mehr durchringen kann als zu einem Seufzer, den man ihm im Ausland abringen muss, ohne Konsequenzen im Inland zu riskieren.

Eindeutig überstrapaziert wird besagte Rechtsfigur, wenn das Unschuldslamperl im Werwolfspelz daherkommt: Der Führer der Freiheitlichen schenkt den Wienern ein Denkmal. Die Trümmerfrauen waren ihm zwar keinen Cent aus der Parteikassa wert, aber für das alte freiheitliche Anliegen der Spurenverwischung zwischen Tätern und Mitläufern des Nationalsozialismus einerseits und dessen Opfern andererseits schien ihm die Stunde günstig. Es ist dies das genaue Gegenteil von Aufklärung über die Verbrechen des Nationalsozialismus – ein Versuch der Vernebelung, der umso anrüchiger ist, als er diesmal nicht von einem der üblichen Verdächtigen aus den hinteren Funktionärsreihen der FPÖ ins Werk gesetzt wurde, sondern vom Vizekanzler einer Republik, die sich den Kampf gegen nationalsozialistische Umtriebe offiziell vorgeschrieben hat.

Von Aktivitäten Straches in diese Richtung ist bisher eher wenig bekannt geworden. Ein wirkliches Opfer des Nationalsozialismus mit einem Denkmal zu ehren – nennen wir stellvertretend für so viele und aus unlängst gegebenem Anlass Franz Jägerstätter – ist ihm nicht eingefallen. Er kann halt Bedenken von Historikern "nur schwer nachvollziehen" – was wissen die schon! Umso leichter hingegen, warum sein neues Vorbildland, die DDR, Trümmerfrauen gewürdigt hat.

Die Stadt Wien hat sich gegen diesen in Stein gehauenen Versuch eines Geschichtsrevisionismus gewehrt, zu Recht, aber leider nicht nachhaltig. Die Ästhetik der Peinlichkeit wird zu einer lebenswerten Stadt nicht beitragen, aber den Vertretern der Garde, die der Verteidigungsminister zu der Privatveranstaltung seines Parteiobmanns abgeordnet hat, hat sie vielleicht ans soldatische Herz gerührt. Der Bundeskanzler kann sich erfreuen an einem Koalitionspartner, der keine Gelegenheit auslässt, den österreichischen EU-Vorsitz ins rechte Licht zu rücken, und das auch noch in einem Gedenkjahr. Gernot Blümel blieb der Enthüllung selbstverständlich nur aus Termingründen fern. (Günter Traxler, 4.10.2018)