Wie viele Transportanbieter haben im Weltall Platz? Der Umsatz rund um Satellitenabschüsse soll sich bis 2040 verdreifachen.

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Auch der hundertste Start bleibt ein Nervenkitzel. 94 Sekunden vor dem Start der Ariane-5-Rakete in der französischen Abschussstation Kourou (Überseegebiet Französisch-Guayana) leuchtete das rote Licht auf: Der Countdown musste wegen Wolkenbildung in der südamerikanischen Äquatorzone neu angesetzt werden. Wenige Sekunden vor dem Totalabbruch gelang der Start doch noch. Die europäischen Ingenieure schlugen sich bald gegenseitig in die Handflächen: Der neueste Flug von Ariane 5 war geglückt, ein japanischer neben einem Luxemburger Satelliten im geostationären Orbit ausgesetzt.

Wettlauf der Raketen

Ariane 5 war jahrelang ein Garant für die europäische Führung im Geschäft mit den Satellitenabschüssen. Seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 1996 hat sie 95 Flüge erfolgreich beendet. Damit ist sie bedeutend zuverlässiger als die traditionellen Rivalen in den USA (Atlas, Delta) und Russland (Proton). Ariane, das war so etwas wie der Mercedes der Trägerraketen. Bis der südafrikanische Jungunternehmer Elon Musk eine Idee hatte. Bei einer Raumfahrttagung im Jahr 2006 verkündete der Gründer des Elektroautos Tesla den Bau der ersten wiederverwertbaren Trägerrakete namens SpaceX – und das Ende seiner Konkurrenten wie Ariane oder Atlas.

Ein Jahrzehnt später hatte SpaceX zumindest schon die Nase vorn: Im abgelaufenen Jahr absolvierte das kalifornische Unternehmen mit der Falcon 9, die vertikal zu landen vermag, 18 Flüge. Der bisherige Marktleader Arianespace kam nur auf elf Abschüsse, und das auch nur dank kleinerer Raketen wie Vega oder Sojus. Ein historischer Wendepunkt in der kommerziellen Raumfahrt.

Viel Konkurrenz in der Luft

Der Vorsteher von Arianespace, der Franzose Stéphane Israël, musste einräumen, dass der Markt der Satellitenaussetzungen nicht mehr durch die Europäer allein, sondern durch ein "Duopol" – SpaceX und Ariane – beherrscht werde. Ariane Group, eine Tochter des europäischen Luftfahrtkonzerns Airbus und des französischen Motorenhersteller Safran, hatte auf Musks Ankündigung immerhin prompt reagiert: Ab 2020 soll die bewährte Ariane 5 durch die neue Raketengeneration Ariane 6 abgelöst werden.

Dieses 70 Meter hohe Ungetüm – zwanzig Meter höher als ihre Vorgängerin – kann eine bisher unerreichte Nutzlast von bis zu elf Tonnen mitführen. Es ist aber auch modulierbar, um auf einmal 70 Minisatelliten von je 150 Kilo auszusetzen.

Doch ist die Ariane 6 nicht bereits überholt? Das Pariser Institut Montaigne hat vor Monaten schon in einem Bericht festgehalten, Ariane 6 scheine "bedeutend teurer als ihre Konkurrenten" zu sein, was zu "reduzierten Aufträgen" führen könnte. Elon Musks Falcon 9 sei günstiger, weil wiederverwertbar. Ariane leide hingegen unter der dezentralen Herstellung: Die Franzosen bauen die erste Raketenstufe und die Motoren, die Deutschen und Spanier die höheren Stufen und die Treibstofftanks, die Italiener die Booster und die Schweizer die Hitzeschilder. Einmal gefertigt, müssen diese Raketenteile von Le Havre über den Atlantik nach Kourou zur Endmontage transportiert werden.

Höhere Nutzlast

Dazu kommt, dass SpaceX vor allem von den Aufträgen der amerikanischen Raumfahrtagentur Nasa lebt und ihr Maximalpreise berechnet; dafür kann Musks Unternehmen die Tarife für kommerzielle Starts senken. Während ein SpaceX-Start gut 40 Millionen Euro kostet, kommt Ariane 6 auf 80 Millionen, also fast das Doppelte. Allerdings ist auch die Nutzlast höher. Der französische Ariane-Group-Vorsteher Alain Charmeau hat deshalb "keinerlei Zweifel in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit von Ariane 6".

Raumfahrtexperten glauben, das Rennen im All werde letztlich durch die Zuverlässigkeit der Ariane- und Falcon-Raketen entschieden: Misserfolge gehen trotz der Versicherungen ins Geld, zumal sie viel Zeit kosten. In Paris wird auch Kritik an der deutschen Bundeswehr laut: Sie lasse zwei Spionagesatelliten durch SpaceX befördern, während die Nasa voll auf "America first" setze und nie bei Ariane anklopfen würde.

Bis auf Weiteres bietet das Weltall ohnehin genug Platz für mehrere Transportanbieter. Laut einer Studie von Morgan Stanley dürfte sich der Umsatz rund um Satellitenabschüsse bis 2040 von 300 auf 935 Milliarden Euro verdreifachen. Zu verdanken sei dies den zunehmenden Internetverbindungen und verbundenen Objekten wie etwa selbstfahrenden Autos. Arianespace hat derzeit noch Aufträge für über 50 Raketenstarts mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro. Auch üben sich die Europäer nun ebenfalls in Plänen für den Bau einer wiederverwertbaren Rakete. Etwas spät, aber immerhin. (Stefan Brändle aus Paris, 6.10.2018)