Gleich viel Erfahrung, gleiche Ausbildung, gleichalt – und trotzdem verdienen Männer oft mehr als Frauen. Den Pay Gap gibt es (Illustration aus "No more Bullshit").

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Das Handbuch zeigt auf, wie es gelingen kann, sexistischen Parolen etwas entgegenzuhalten.

STANDARD-Redakteurin Sandra Nigischer ist Mitherausgeberin. Sie sagt: "Es ist wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Gerade, wenn sie wie ‚sexistische Weisheiten‘ Auswirkungen auf die Lebensrealitäten von Frauen haben."

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Ob beim Familienfest, im Onlineforum oder am Arbeitsplatz: Immer wieder ist frau mit sexistischen Äußerungen konfrontiert. Von "Du bist süß, wenn du dich aufregst" bist hin zu "Gleichberechtigung ist doch längst erreicht": Die Liste ist lang. Wie ist damit umzugehen, ohne die Fassung zu verlieren? Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten, seit Anfang Oktober erhältlich, gibt auf 176 Seiten Anleitungen. Herausgegeben wurde es vom Frauennetzwerk Sorority. Die STANDARD-Redakteurin Sandra Nigischer ist Mitgründerin. Beiträge lieferten Wissenschafterinnen und Künstlerinnen.

Im ersten Teil geht es ganz grundsätzlich darum, wie "Bullshit" entsteht und was ihn so gefährlich macht. Vorgestellt werden außerdem Konterstrategien. Widersprüche aufzeigen etwa könne Parolendrescher zum Nachdenken bewegen. Meint jemand beispielsweise, es gebe zu viele Ausländer in Österreich, könne man nachfragen: "Wen meinst du überhaupt mit Ausländern?" Wichtig sei, nicht moralisierend, belehrend oder bewertend aufzutreten, "sondern mit Offenheit und Interesse". Sich nicht provozieren zu lassen, einen echten Dialog zu führen sei viel effektiver.

Im zweiten Teil gibt es konkrete Argumentationshilfen. Eine Auswahl:

"Den Pay-Gap gibt es nicht."

Die Ökonominnen Erza Aruqaj und Katharina Mader zeigen auf, dass es den Pay-Gap sehr wohl gibt. Dafür erklären sie die verschiedenen Berechnungsarten. Der "unbereinigte" Pay-Gap sei dazu da, Bruttostundenlöhne einander gegenüberzustellen. Häufig als "Äpfel-Birnen-Vergleich" abgetan, mache er deutlich, wie "Männer"- und "Frauen"-Berufe unterschiedlich gut bezahlt werden. Oder auch, wie sich Berufswahl und unbezahlte Arbeit wie Hausarbeit auf den Verdienst niederschlagen können. Das "führt vor Augen, wie sehr Frauen* und Männer* in Geschlechterrollen feststecken, Männer* in besser bezahlten Berufen tätig sind, Frauen* nicht den gleichen Zugang zu Stellen haben". Beim "bereinigten" Pay-Gap werden geschlechtsspezifische Lohnunterschiede aufgrund von Karenzzeiten, der Branche usw. herausgerechnet – selbst dann ergeben sich Lohnunterschiede von mehreren Prozent.

"Alle Türen stehen euch offen."

An dem Vorurteil, dass Frauen angeblich "alle Türen offen stehen", arbeitet sich Fränzi Kühne ab. Die Realität, schreibt die Chefin einer Digitalagentur, stehe dazu im klaren Widerspruch: Noch immer ist nur ein Bruchteil der Führungspositionen von Frauen besetzt. An deren Willen scheitere es sicher nicht, sagt Kühne – schuld seien alte Rollenklischees. "Das zeigen nicht nur Statistiken: Wenn der Kunde unser Team darum bittet, dass nicht die erfahrene Consulting-Chefin, sondern der männliche Praktikant die Strategiepräsentation vor dem Vorstand hält, dann werden diese sehr greifbar." Chefsein sei eben immer noch männlich konnotiert. Nötig sei ein "Wertewandel": "Führung darf nicht mit Vollzeit und Dauerpräsenz gleichgestellt werden." Es brauche zudem alternative Arbeitsmodelle wie mobiles Arbeiten und Jobsharing.

"Frauen wollen ja gar nicht in Führungspositionen."

Dass es sicher nicht daran liegt, schreibt auch die Uniprofessorin Tuulia Ortner. Vielmehr gebe es von der Forschung belegte "Stolperscheine", die Frauen am Weg nach oben hinderten. Sie würden als Chefinnen seltener als selbstbewusst, zielorientiert oder durchsetzungsfähig wahrgenommen – und legen sie diese Eigenschaften bewusst an den Tag, werde das nachweislich als unsympathisch wahrgenommen. Ein Balanceakt. Ortner ist aber optimistisch: Es zeige sich "der Trend, dass sich das traditionell maskuline Bild von Leadership immer mehr aufweicht." Und die Top-Frauen stünden bereit. (Lisa Breit, 6.10.2018)