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Lettland wählt ein neues Parlament.

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Die pro-russische Saskaņa-Partei könnte zum ersten Mal Teil der Regierung werden.

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Spannung vor der Wahl – und vielleicht auch noch danach: An diesem Samstag wählt Lettland ein neues Parlament. Insgesamt 16 Parteien und Wahlbündnisse treten in dem kleinen EU- und Nato-Land zur Wahl an. Wer danach regieren darf und ob tatsächlich ein Paradigmenwechsel bevorsteht, ist derzeit noch völlig unklar.

Nur eines lässt sich laut Meinungsumfragen recht bestimmt sagen: Der populistische Wind, der durch Europa fegt, macht auch vor Lettland nicht halt. Die rechtskonservativen Parteien, die das Land in unterschiedlichen Konstellationen seit 1991 regiert haben, sind mittlerweile in verschiedene Fraktionen zersplittert. Stattdessen haben eine populistische und eine Russland-nahe Partei an Schwung gewonnen.

"Harmonie"-Partei in Opposition verbannt

Die sozialdemokratische, Russland-nahe Saskaņa-Partei (Harmonie) war schon bei den letzten Wahlen mit knapp über 20 Prozent die stimmenstärkste Partei. Lettland hat eine große russischsprachige Minderheit von etwa 25 Prozent, die Beliebtheit der Partei bei einem Teil der Bevölkerung ist daher nicht weiter überraschend. Jedoch gab es für Saskaņa bisher keine Koalitionsmöglichkeiten. Eine Koalition mit einer prorussischen Partei kam für rechtskonservative, lettisch-nationalistische Parteien nicht infrage – Saskaņa blieb daher auf der Oppositionsbank.

Das könnte sich bei dieser Wahl ändern: Die neugegründete populistische Partei "Wem gehört der Staat?" ist die große Unbekannte. Ihre zwei Gründer, der ehemalige Schauspieler und Radiomoderator Artuss Kaimiņš und der Rechtsanwalt Aldis Gobzems, haben im Vorfeld angekündigt, dass sie keine Partei als Koalitionspartner ausschließen.

Die lettischen Trumps

Von Kommentatoren wird Wem gehört der Staat? aufgrund ihrer Rhetorik mit der populistischen italienischen Fünf-Sterne-Bewegung oder mit US-Präsident Donald Trump verglichen. Kaimiņš sorgte immer wieder mit persönlichen Angriffen auf Journalisten im Fernsehen für Aufsehen, Gobzems drohte einem Journalisten, ihm Schwierigkeiten zu bereiten, sobald er Premierminister sei. Ihr Bekanntheitsgrad ist auch durch tägliche Video-Postings aus dem Parlament auf sozialen Netzwerken gestiegen.

Obwohl Wem gehört der Staat? in den Meinungsumfragen noch unter sieben Prozent liegt, könnte die Partei noch stark zulegen. Zum einen sind 25 Prozent der Wähler nach eigenen Angaben noch unentschlossen, zum anderen werden die Diaspora-Stimmen bei den Umfragen nicht miteingerechnet. Allein in Großbritannien leben über 100.000 Letten – diese Stimmen hat Wem gehört der Staat? als einzige Partei intensiv umworben. Bei einer Gesamtbevölkerung von zwei Millionen könnten die Auslandsstimmen einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben.

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Der ehemalige Schauspieler erinnert an Populisten à la Donald Trump und Beppe Grillo.
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Autoritäre Tendenzen

Sollten Saskaņa und Wem gehört der Staat? tatsächlich eine Koalition bilden, wäre es das erste Mal seit dem Ende der 50-jährigen Zugehörigkeit Lettlands zur Sowjetunion, dass eine prorussische Partei mitregiert. "Ich finde schon, dass russische Volksvertreter auch Teil der Regierung sein sollen", sagt Inga Springe, die Gründerin von "Re:Baltica", dem baltischen Zentrum für investigativen Journalismus, im Gespräch mit dem STANDARD. Schließlich habe die noch amtierende Regierung die Bevölkerung mit ihren Maßnahmen zur Zurückdrängung der russischen Sprache stark polarisiert.

Allerdings zeigt sich Springa über die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung von Saskaņa besorgt. Denn Saskaņas Parteichef regiert bereits seit 2009 die Hauptstadt Riga, und dabei hätten sich "autoritäre Anzeichen" bemerkbar gemacht. Saskaņa hat zwar Anfang dieses Jahres ein Kooperationsabkommen mit der Putin-treuen Partei Vereintes Russland aufgelöst und ist Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, allerdings weigert sich Saskaņa, die Annexion der Krim durch Russland zu verurteilen, und will die Sanktionen gegen Moskau aufheben. (Flora Mory, 5.10.2018)