Eine männliche Kapkobra verschlingt einen Artgenossen.
Foto: Bryan Maritz

Kapstadt – Im vergangenen Frühling machte ein Biologenteam bei einer Expedition in die südafrikanische Kalahari-Wüste eine unerwartete Entdeckung: eine große männliche Kapkobra (Naja nivea), die gerade einen kleineren Artgenossen verschlang. Zwar ist es nicht so, dass man noch nie von Kannibalismus unter Schlangen gehört hätte – doch wurden entsprechende Berichte bislang eher als unwichtige Anekdoten abgetan.

Bryan Maritz von der University of the Western Cape hatte durch den Fund aber ein neues Forschungsthema. Er begann nun der Frage nachzugehen, wie oft Kannibalismus unter Schlangen tatsächlich vorkommt und ob besagte Anekdoten in Wirklichkeit Beispiele für ein durchaus typisches Verhalten sein könnten.

Schlangenfraß

Maritz und seine Kollegen stellten in der Folge selbst Nachforschungen an, werteten aber auch die Beobachtungen anderer aus: Immerhin sind Schlangen nicht so leicht zu studieren wie Großtiere, zudem ermöglicht ihnen ihr Metabolismus, über lange Zeit ohne Nahrung auszukommen. Man braucht also eine gewisse Portion Glück, eine Schlange beim Fressen zu erwischen.

Für die im Fachjournal "Ecology" veröffentlichte Studie wurden Daten über insgesamt sechs verschiedene Kobra-Arten gesammelt – und bei fünf davon wurden tatsächlich Fälle von Kannibalismus registriert. Schlangen im Allgemeinen machen einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Gesamtnahrung von Kobras aus, je nach Spezies immerhin 13 bis 43 Prozent. Angehörige der eigenen Art sind davon offenbar nicht ausgenommen.

Wo der Kannibalismus blüht

Dass Maritz just eine Kapkobra als Kannibalin erwischt hatte, ist im Nachhinein nicht als Zufall zu werten: Bei dieser gelblich-braunen und im Schnitt eineinhalb Meter langen Spezies, die über ein besonders starkes Gift verfügt, kommt das Verhalten nämlich überdurchschnittlich oft vor.

Und die nähere Betrachtung ergab, dass der Kannibalismus innerhalb dieser Spezies seiner ganz eigenen Gesetzmäßigkeit folgt: Sämtliche Beteiligte – Täter wie Opfer – waren nämlich männlich. Maritz bringt das zum Schluss, dass der Kannibalismus der Kapkobras eine Folge von Rivalenkämpfen in der Paarungszeit sein dürfte. Zu diesen Kämpfen gehört auch, dass die Männchen einander beißen. Offenbar kann das nahtlos dazu übergehen, dass der Sieger seinen unterlegenen Konkurrenten auffrisst. (jdo, 8. 10. 2018)