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Heutige Europäer (hier im Hintergrund ein etwas älterer) tragen einige hilfreiche DNA-Abschnitte des Neandertalers in sich, die bei der Virenabwehr helfen.

AP

Tucson/Wien – Europäer besitzen im Gegensatz zu Afrikanern rund zwei Prozent Neandertaler-DNA. Dieses genetische Erbe unserer vor rund 40.000 Jahre ausgestorbenen Verwandten dürfte uns helle Haut verleihen und beim Fettabbau helfen. Zudem haben wir einige wichtige Rezeptoren des Immunsystems teilweise durch Techtelmechtel mit unseren Steinzeit-Cousins erhalten.

So wurde das Gen HLA-C*0702 in Neandertaler-Fossilien gefunden und ist bei modernen Europäern und Asiaten häufig, ist aber äußerst selten bei Menschen afrikanischer Herkunft anzutreffen. Es wurde daher unterstellt, dass dieses Immun-Gen nach dem Verlassen Afrikas in den Genpool des Homo sapiens gelangte und es ihm ermöglichte, gegen "außerafrikanische" Krankheiten zu bestehen, gegen die der Neandertaler bereits gewappnet war.

Etwas systematischer ging dem Thema nun ein US-amerikanisches Forscherteam um David Enard (University of Arizona in Tucson) und Dimitri Petrov (Stanford University) nach, die mehr als 4.000 Gene durchkämmten, die vermutlich in einem Zusammenhang mit Krankheitserregern stehen. Die Frage war, ob sich in diesen Genomabschnitten besonders viel Neandertaler-DNA nachweisen lassen würde. Und die Antwort fiel eindeutig positiv aus.

152 hilfreiche DNA-Abschnitte

Wie die im Fachblatt "Cell" erschienene Studie zeigt, interagieren 152 der jahrtausendealten, von den Neandertalern geerbten DNA-Abschnitte mit viralen Krankheitserregern wie Influenza und Hepatitis. Konkret enthält die ererbte Neandertaler-DNA Bauanleitungen für Proteine, die Viren wie HIV, Influenza oder Hepatitis abwehren. Bei all diesen Erregern handelt es sich um sogenannte RNA-Viren – vermutlich befielen urzeitliche Varianten davon schon unsere Steinzeit-Verwandten.

Grafiische Darstellung der Übernahme von DNA-Abschnitten durch den modernen Menschen.
Grafik: Enard et al., Cell 2018

Als die ersten modernen Menschen vor rund 50.000 Jahren in Europa landeten, waren sie vermutlich auch mit Bakterien und Viren konfrontiert, die sie aus ihrer afrikanischen Heimat noch nicht kannten. Bei den sexuellen Kontakten mit den Neandertalern infizierten sie sich vermutlich auch damit. Für die Krankheitserreger sei es ein Leichtes gewesen, auf unsere Vorfahren überzuspringen, wie David Enard erklärt.

Neue Erklärung für alte Frage

Angesichts dieser neuen Bedrohung hätten die modernen Menschen die genetischen Abwehrstrategien der bereits gut angepassten Neandertaler vermutlich übernommen, so Enard: "Bis sich in ihrem eigenen Erbgut entsprechende Mutationen entwickelt hätten, wäre sehr viel mehr Zeit vergangen."

Haben Genetiker bis jetzt spekuliert, warum die Neandertaler-DNA in unserem Genom überdauert hat, so liefert die neue Studie zumindest eine gute Erklärung: als Schutz gegen Viren. (tasch, 7.10.2018)