Am Sonntag, 18.45 Uhr, hat der Brexit in Großbritanniens Wohnzimmern garantiert Pause. Zum elften Mal setzt sich im Programm der BBC ein Fernsehvehikel in Bewegung, das zumindest den TV-beseelten Teil der Bevölkerung vermutlich als mindestens ebenso wesentlich für ihr Wohlbefinden einstuft, wie der Abschied von der europäischen Gemeinschaft. Die elfte Staffel von Dr. Who beginnt.
Nationale Ereignisse
Und als ob das nicht schon genug nationales Ereignis wäre, wartet die beliebte Fantasyserie mit einer Besonderheit auf, die den Erwartungsdruck noch mehr erhöht: Zum ersten Mal seit Beginn der Serie 1963 ist die Hauptfigur weiblich.
"Ich bin ein Doktor, die Menschen brauchen Hilfe und ich lehne niemals ab." Mit diesen in maximaler Eile ausgesprochenen Worten – links und rechts kracht und zischt und detoniert es – stellte sich die Seriendoktorin, gespielt von der 36-jährigen Jodie Whittaker im Trailer bereits vor. Titel von Folge eins: Die Frau, die vom Himmel fiel.
Bejubelter Timelord vom Planeten Gallifrey
Das Erbe ist kein Kleines. Die Briten lieben ihren Dr. Who über alles. 1963 begann die Geschichte des hyperaktiven Akademikers, der mit einem Trupp Idealisten in einer als Polizei-Zentrale getarnten Zeit-Raum-Maschine namens Tardis vergangene und zukünftige Epochen erkundet und in denen sich wahnsinnige und wahnwitzige Abenteuer ereignen. Der erste Doktor – ein außerirdischer "Timelord" vom Planeten Gallifrey – wurde gespielt von William Hartnell.
Die Hauptdarsteller wechselten, nach einer längeren Pause ab 1989 – unterbrochen nur von einem Fernsehfilm, feierte die Serie 2005 eine heftig bejubelte Rückkehr. Die Mischung aus Action, Tempo, britischem Humor und in dieser Mission Menschen in Notsituationen beizustehen, ist für viele unwiderstehlich. Bis zu 14 Millionen Zuschauer konnte Dr. Who in seinen stärksten Zeiten erreichen. International ist das Interesse ebenso groß, 70 Millionen schauten zuletzt zu.
In Österreich ist der Doktor nicht Mainstream, die neue Staffel noch ohne Starttermin im heimischen Fernsehen. Vermutlich liegt das an Fernsehgewohnheiten, die sich eher an amerikanischer Kost orientieren.
Am Sonntag soll aber nichts schief gehen. Quotenschwäche unter dem letzten Doktor, gespielt von Peter Capaldi, begegnete die BBC mit neuem Sendeplatz. Doktorin Whittaker wurde nach Publikumserfolgen in Theater, Kino und TV (The Night Watch, Broadchurch) sorgfältig ausgewählt und steht jetzt vor der wahrscheinlich schwersten Prüfung ihres Lebens: Dem strengen Urteil der Zuschauer standzuhalten. (Doris Priesching, 7.10.2018)