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Wie die Monopolmacht von Google und Co brechen?

Foto: REUTERS/Aly Song

Für die "Google-Steuer" wird derzeit intensiv die Werbetrommel gerührt. Das zentrale Ziel ist populär und einfach erklärt: Die großen US-Digitalkonzerne sollen künftig mehr Steuern in Europa zahlen, die Macht der "Big 5" (Google, Facebook, Amazon, Microsoft und Apple) in die Schranken gewiesen werden. "Die Menschen erwarten sich eine klare Antwort auf die vorherrschende Steuerungerechtigkeit zwischen der traditionellen und digitalen Wirtschaft", sagte Finanzminister Hartwig Löger auf seiner jüngsten Reise nach Irland, um dort für die Einigung auf eine EU-weite Digitalsteuer bis zum Jahresende zu werben.

In der EU-Kommission und bei einigen Finanzministern hat sich die Meinung durchgesetzt, dass die DST, die Digital Services Tax, zumindest temporär diese klare Antwort ist. Eine Besteuerung von drei Prozent der Umsätze mit Daten, Onlinewerbung und den Onlinemarktplätzen der Sharing Economy soll die großen Konzerne dazu bringen, ihren Anteil zum Gelingen des Staatsganzen beizutragen, und auch noch fairere Wettbewerbsbedingungen auf den digitalen Märkten schaffen, auf denen sich so oft nur ein Anbieter durchsetzt ("Winner takes all"-Prinzip).

Schuss ins Knie?

Allein, die Digitalsteuer mag zwar politisch gut vermarktbar sein, aber es ist höchst zweifelhaft, dass diese Lösung mehr ist als ein Schnellschuss – mit dem Potenzial, dass sich Europa ins eigene Knie schießt. Warum? Das liegt zum einen an der Ausgestaltung. Die Grenzwerte für die betroffenen Unternehmen sind willkürlich und so gewählt, dass sie vor allem US-Konzerne treffen sollen: 750 Millionen Euro weltweite Erträge müssen die betroffenen Unternehmen erzielen und steuerbare Erträge von 50 Millionen Euro in der EU. Die DST ist zudem eine neue Steuer, die Züge sowohl einer Ertrags- als auch einer Umsatzsteuer hat, was rechtlich heikel, komplex und ökonomisch wenig zielführend ist. Eine Gewinnsteuer sollte in jenem Land bezahlt werden, in dem die Wertschöpfung entsteht und das Unternehmen beheimatet ist. Eine Umsatzsteuer hingegen ist natürlich von den Konsumenten in den jeweiligen Ländern zu tragen. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch diejenigen die Digitalsteuer bezahlen werden, die Dienstleistungen von Facebook, Google & Co nutzen, etwa Werbetreibende oder Nutzer von Sharing Services.

Mehr noch: Die Steuer sorgte auch noch für einen Paradigmenwechsel in der grundlegenden Steuerrechtsordnung, denn sie gewährt dem Fiskus in einem Land, in dem ein Unternehmen digitale Leistungen erbringt, steuerlichen Zugriff auf die Bruttoerträge. Aktuell werden Gewinnsteuern dort fällig, wo Betriebsstätten stehen und Wertschöpfung generiert wird. Sollte die DST Schule machen, hätte das zur Folge, dass Exportnationen wie Österreich oder Deutschland massiv an Steueraufkommen verlieren könnten. Der wissenschaftliche Beirat des deutschen Bundesfinanzministeriums erwartet im Falle dieses Paradigmenwechsels eine neue Form des Steuerwettbewerbs. Und auch die Argumentation, dass die Kunden zum Produkt einen wesentlichen Beitrag über ihre Daten leisten, ist steuerrechtlich weit hergeholt und noch ausbaufähig. Wie viel Aktionismus und wie wenig Substanz den vorliegenden Vorschlag ausmachen, zeigen die Aufkommensschätzungen. Laut ifo-Institut wird das Aufkommen in Deutschland zwischen 535 und 836 Millionen Euro betragen, in Österreich sind es gerade einmal rund 70 bis 95 Millionen Euro. Das entspricht weniger als 0,1 Prozent des aktuellen Steueraufkommens in der Höhe von 100,9 Milliarden Euro. Dazu kommt noch der Verwaltungsaufwand, um beispielsweise zu erheben, wer steuerpflichtig ist und wie die steuerbaren Umsätze der einzelnen Kategorien voneinander abzugrenzen sind.

Besser für Wettbewerb sorgen

In Anbetracht der Erfolge der digitalen Konzerne kann der Vorschlag aber auch als europäische Selbstaufgabe verstanden werden. Weil Europa die erste Welle der Digitalisierung verschlafen und keine Digitalkonzerne der Größe von Google, Facebook oder Microsoft hat, wecken Konzerne, die vor allem in den USA sitzen, aber global gutes Geschäft machen, steuerliche Begehrlichkeiten. Das dieses "The loser taxes it all" keine sinnvolle und nachhaltige Antwort auf die Digitalisierung "Made in the US" sein kann, weiß die EU-Kommission selbst. Weswegen die DST auch als temporäres Element vorgeschlagen wird; bis eine gemeinsame Antwort auf die digitale Wirtschaft gefunden ist.

Doch Europa kann sich kein Google ersteuern. Wer die Chancen für eine europäische Digitalwirtschaft vergrößern möchte, muss wettbewerblich denken, die Monopolmacht von Google & Co. bei ihren Daten brechen und Fusionskontrolle betreiben. Weiter für Wettbewerb zu sorgen bleibt Priorität auf Märkten, die vom "Winner takes all"-Prinzip geprägt sind. So bietet ein Zugang zu gewissen Daten der großen Digitalkonzerne Chancen für junge Unternehmen, gegen die zunehmende Marktmacht von Google & Co. zu bestehen. Bei einer Bruttobesteuerung der Erträge hingegen sind es wieder erst weniger profitable Unternehmen, die überproportional getroffen werden. Wollen Europas Finanzminister einen größeren Teil vom digitalen Steuerkuchen, sollten sie bessere Voraussetzungen für die digitale Wertschöpfung in der EU schaffen. Hinzu kommt noch ein politisches Problem mit der DST: Das in Steuerfragen geltende EU-rechtliche Einstimmigkeitsprinzip könnte aus der Übergangssteuer ein Dauerprovisorium machen.

So wichtig die "Google-Steuer" politisch auch sein mag, der vorliegende Entwurf ist reiner Aktionismus, ist vom Hybridcharakter bis zum Steueraufkommen keine gute Lösung und böte im Handelskonflikt mit den USA sogar noch einen Anlassfall für eine weitere Eskalation. Es wäre wichtiger, bei der Definition von digitalen Betriebsstätten voranzukommen, effektiv und langfristig dafür zu sorgen, dass es Wettbewerb bei digitalen Dienstleistungen gibt, und Maßnahmen gegen aggressive Steuervermeidung zu forcieren. Die "Google-Steuer" mag politisch beliebt sein, aber sie ist eine ökonomische Themenverfehlung. (Hanno Lorenz, Lukas Sustala, 8.10.2018)