Katrin Ebner-Steiner ist der Star der AfD in Bayern. Die vierfache Mutter aus Deggendorf spricht vor allem über zu viele Flüchtlinge.

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Jetzt schaut euch das an!" Der empörte Ausruf auf dem Marktplatz von Deggendorf ist weit zu hören. "Das ist unsäglich, unglaublich, so etwas habe ich noch nie erlebt. Wir sind doch nicht im Jahr 1933." Entsetzt starrt Katrin Ebner-Steiner, Spitzenkandidatin der AfD für Niederbayern, auf ihr eigenes Konterfei, das in Form eines Wahlflyers angebrannt auf den grauen Pflastersteinen vor dem Schaufenster des örtlichen H&M liegt. "Das kommt davon, wenn man gegen Ausländer ist", ruft ein Jugendlicher, und andere in der Gruppe kichern. Dann nehmen sie schnell Reißaus.

"Die haben meinen Flyer angezündet, ich ruf die Polizei", sagt Ebner-Steiner wütend. Doch ihre Begleiter raten ab, und auch die 40-Jährige kommt bald zum Schluss: "Lasst uns lieber Wahlkampf machen, das ist jetzt wichtiger." Und da stehen ja auch schon einige am Infostand und wollen vom Aushängeschild der AfD in Bayern wissen, was die AfD gegen die vielen Ausländer im schönen Bayern machen will.

Ebner-Steiner, katholisch, vierfache Mutter, seit 2015 in der AfD, erklärt es. "Deutschland kann natürlich nicht die ganze Welt aufnehmen, daher brauchen wir eine Festung Europa." Sie spricht freundlich, lächelt und hört sich geduldig alle Fragen an. Wahlkampf ist – abgesehen von Störfällen wie vorhin – etwas Angenehmes für die gelernte Bilanzbuchhalterin.

Mehr Stimmen als die CSU

Die AfD liegt in Umfragen bei zehn Prozent, bei der Landtagswahl am 14. Oktober wird sie locker in den bayerischen Landtag einziehen. Und der Wahlkreis Deggendorf ist AfD-Land. Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte sie im ganzen Land 12,4 Prozent, im Kreis Deggendorf 19,2 Prozent. Es war der beste Wert der Partei in Westdeutschland, und seither ist Deggendorf mit seinem pittoresken Marktplatz und der weithin bekannten Autobahnbrücke als AfD-Hochburg ins Gerede gekommen. In einem Wahllokal kam die AfD sogar auf 31,5 Prozent und lag damit vor der CSU, die lediglich 24,4 Prozent schaffte.

"Mich wundert das nicht. Wir haben ja das Lager", sagt Pensionist Ernst. "Das Lager" ist eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge neben dem Bahnhof Deggendorf. "Da lungern sie halt rum", ergänzt er und deutet auf drei junge Frauen, die vor dem Eingang in der Sonne sitzen. Ärger hat Ernst mit den Asylwerbern noch nie gehabt. Aber, sagt er: "Die passen einfach nicht zu uns, so von der Mentalität her."

Ehefrau Elisabeth sieht die "Fremden" öfter beim Einkaufen im Discounter gegenüber. "Die tun nix", räumt sie ein, doch es folgt das unvermeidliche Aber: "Aber das ist doch klar, dass unsere Leute sich denken, denen wird so viel Geld gegeben, und mir bleibt nix." Beide sind langjährige CSU-Wähler, aber diesmal werden sie die AfD wählen. Damit, sagt Ernst "die Politik mal sieht, dass man mit uns nicht alles machen kann". Nachsatz von Ernst: "Die CSU hat doch vor lauter Streiten längst uns kleine Leute und unsere Sorgen vergessen."

Es herrscht Vollbeschäftigung

Es ist eine Erklärung für die AfD-Stärke, die Christian Moser (CSU) öfter hört, aber die er nicht nachvollziehen kann. "Die Erstaufnahmeeinrichtung haben wir seit 2015, und es gab nie Probleme, bis die AfD im Bundestagswahlkampf daraus eines gemacht hat", sagt der Deggendorfer Bürgermeister zum STANDARD. Deggendorf ist auch nicht arm oder abgehängt. "Wir haben Vollbeschäftigung, die Stadt ist saniert, wir haben eine Hochschule, es gibt nicht mehr Straftaten und nur zwei Obdachlose, die jeder kennt", sagt er. Warum also ist die AfD so stark hier?

"Es ist die gefühlte Unsicherheit. Die Leute haben Angst, obwohl es keinen Grund gibt", meint Paul Linsmaier, CSU-Fraktionsvorsitzender im Deggendorfer Stadtrat. "Und der CSU wird offenbar immer weniger zugetraut, dass sie Probleme lösen kann." Bürgermeister Moser war dabei, als Deggendorfer sich zu einem "Anwohnergespräch" zusammenfanden, um über die Asylunterkunft zu sprechen. Einladungen an 2400 Anwohner hatte die Stadt verschickt, rund 200 Bürger kamen. "Die Polizei trug noch einmal vor, dass sie keinen Anstieg der Kriminalität verzeichnet", erinnert er sich an die Veranstaltung, "aber immer wieder meldeten sich Frauen zu Wort, die erklärten, Angst zu haben."

Dass die Flüchtlinge – auch wenn es gar nichts zu sagen gäbe – immer in Erinnerung bleiben, dafür sorgt die AfD. Im Dezember 2017 hatten Asylwerber eine Demo angemeldet, um gegen Zustände in der Unterkunft zu demonstrieren, die AfD übertrug den Protest live im Internet. "Hallo, liebe Freunde, wir sind hier in Deggendorf auf der Asyldemo", begrüßt Ebner-Steiner da in freundlichem Niederbayerisch.

Gleich lässt sie zwei junge Frauen zu Wort kommen, die in aller Deutlichkeit kundtun, was sie von der Demo halten – nämlich gar nichts. "Die demonstrieren auf Englisch, die sollen zuerst einmal Deutsch lernen", lästert eine der Frauen. Zu hören ist auch: "Die Deutschen hocken auf der Straße, die kriegen keine Unterkunft, und die Asylanten haben einen warmen Arsch, denen wird das Scheißhaus geputzt und die Miete bezahlt – und dann demonstrieren sie immer noch."

"Also Sie meinen auch, dass – wenn das wirklich Schutzbedürftige wären – sich die dann anders aufführen bei uns", fragt Ebner-Steiner ganz ruhig in die Menge. Ja, genau, lautet die Antwort. Auch im Netz gibt es viele spontane Reaktionen. "Afrika für Affen", "1, 2, 3, 4 – alle bleiben in Auschwitz" und "Tränengas rein in die Menge", heißt es. Die Staatsanwaltschaft leitete 266 Verfahren wegen Volksverhetzung ein.

Söder warnt vor Stimmen für die AfD

"Das war schon heftig", räumt Hannes, ein 50-jähriger Schlosser, ein. Er wohnt ein wenig außerhalb der Stadt, von der Asylunterkunft bekommt er gar nichts mit. Und dennoch: "Ich will nicht, dass die da sind. Ich will, dass meine Töchter alleine durch die Stadt gehen können." Wo er am 14. Oktober sein Kreuz machen wird, weiß er noch nicht. Er schwankt zwischen gar nicht zur Wahl gehen oder doch AfD wählen. Nur eines ist schon fix: "Die CSU, die uns das alles eingebrockt hat, wähl ich nicht mehr."

Doch es gibt auch andere Stimmen, man weiß bloß nicht, wie viele. "Ich wohne gegenüber dieser Unterkunft. Im Sommer beobachte ich alles vom Balkon, und noch nie hat es ein Problem gegeben. Das sind auch alles Menschen, ganz arme noch dazu", sagt die 72-jährige Gundel.

Am Abend applaudiert sie Ministerpräsident Markus Söder, als er in der Deggendorfer Stadthalle spricht. Natürlich ist auch die AfD Thema. Er dankt zunächst allen Deggendorfern, die geholfen haben, die vielen Flüchtlinge zu versorgen, als sie damals, 2015 und 2016, in großer Zahl ankamen.

Er sei, anders als die Grünen, auch nicht dafür, alle Flüchtige aufzunehmen, sagt Söder. Aber auch die AfD mit ihrem "Hass" weise den falschen Weg. "Zuerst habe ich gedacht, die AfD, das ist halt so eine Grantlerpartei", ruft Söder. Aber seit den Vorfällen in Chemnitz sei klar: "Die marschieren mit Hooligans und Pegida." Daher solle man auf keinen Fall die AfD wählen. "Auch Franz Josef Strauß hätte sie nicht gewählt, sondern bekämpft." Es hat immer wieder ein wenig Applaus während seiner Rede gegeben. An dieser Stelle ist er am stärksten. (Birgit Baumann, 6.10.2018)