Niemals sollte man den untergründigen Grimm und die Misogynie amerikanischer Männer unterschätzen, hat der Schriftsteller David Foster Wallace in einer berühmt gewordenen Reportage über die US-Pornoindustrie sinngemäß geschrieben. Das ist zwar krass verallgemeinernd und polemisch, aber auf Brett Kavanaugh, den Aspiranten auf den vakanten Sitz im Supreme Court, trifft es zu.

Zurzeit, da ich dies schreibe, ist unklar, ob das FBI Beweise für einen Vergewaltigungsversuch Kavanaughs findet. Dass es etwas findet, ist kaum anzunehmen. Dann würde es bei einer Gegenüberstellung zweier einander widersprechender Behauptungen bleiben und solange die Unschuldsvermutung, immer noch Säule eines demokratischen Gemeinwesens, gilt, stünden Kavanaughs Bestellung zumindest keine strafrechtlichen Einwände entgegen.

Eines hat das Hearing aber so oder so gezeigt: dass Kavanaugh ein über jeden Pubertätsrabatt hinaus ekeliges Verhalten an den Tag gelegt hat und auch heute noch Damen gegenüber ein rechter Rüpel vor dem Herrn ist. Sein surreales Gebaren vor dem Senat hätte einen dazu anstacheln können, eine Geschlechtsumwandlung in Erwägung zu ziehen, derart peinvoll war es, sich mit Kavanaugh in einer Geschlechtsgenossenschaft zu wissen.

Ob Kavanaugh nun bestellt wird oder nicht, die Folgen sind in jedem Fall unerquicklich. Man darf darauf wetten, dass sich LiebhaberInnen von Überzeugungen auf hohem Abstraktionsgrad (die "Männer sind Müll"- gegen die "Alles Nutten außer Mutti"-Fraktion) angeregt fühlen werden, ihre jeweilige schlichte Sicht der Dinge umso heftiger hinauszuposaunen. Melancholischer Zwischenruf aller Romantiker: Und wo bleibt in Zeiten von #MeToo und BalanceTonPorc noch Platz für die Liebe? Die wahre Liebe?

Kleine Nachbemerkung: Für mich ist Kavanaugh ein klarer Schwindler. Bei dem, was der Mann in seiner Jugend gesoffen haben muss, müsste er nicht nur über reichliche Erfahrungen mit Blackouts verfügen (was er bestreitet), sondern noch vierzig Jahre später an einer Restfettn laborieren. Ich aber gebe unumwunden zu, dass ich mich an den einen oder anderen Filmriss nach meinen fulminantesten Pubertätsräuschen genau erinnere. Ein Glück, dass die Chancen, dass ich noch Höchstrichter werden könnte, bescheiden sind. (Christoph Winder, 5.10.2018)