Washington – Die Ernennung des umstrittenen Juristen Brett Kavanaugh zum Richter am Supreme Court scheint gesichert. Zwei Wackelkandidaten kündigten am Freitag an, bei der für Samstag erwarteten Schlussabstimmung im US-Senat für Kavanaugh zu votieren. Damit hat sich die erforderliche Mehrheit von 51 Senatoren öffentlich für den Wunschkandidaten von US-Präsident Donald Trump ausgesprochen.

Mehrere Frauen hatten Kavanaugh sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Die Anschuldigungen gegen den Juristen seien nicht bewiesen worden, sagte die republikanische Senatorin Susan Collins die bisher als Wackelkandidatin auf Seiten der Republikaner galt. Es gelte weiterhin die Unschuldsvermutung.

Der demokratische Senator Joe Manchin erklärte, Kavanaugh sei ein geeigneter Kandidat für das Amt des Obersten Richters. Manchin steht wegen der bevorstehenden Zwischenwahl in seinem Heimatstaat West Virginia unter Druck. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 hatten die Wähler in dem Bundesstaat mit großer Mehrheit für Trump gestimmt.

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Lisa Murkowski stimmte als einzige Republikanerin dagegen Kavanaughs Richterernennung einer finalen Abstimmung zu unterziehen.
Foto: REUTERS/Yuri Gripas

"Schande über Euch", riefen Demonstranten vor den Büros der beiden Senatoren, nachdem sie ihre Wahlabsicht verkündet hatten. Trumps Sprecherin Sarah Sanders dankte Collins hingegen im Onlinedienst Twitter dafür, dass sie "ihren Überzeugungen treu bleibt und das Richtige tut".

Auch der als Trump-Kritiker bekannte republikanische Senator Jeff Flake, der Bedenken über Kavanaugh geäußert hatte, kündigte an, der Ernennung des 53-Jährigen zuzustimmen. Die Mehrheitsverhältnisse bei der entscheidenden Abstimmung im Senat, die für Samstagnachmittag erwartet wird, dürften damit klar sein.

Wie schon bei einer Verfahrensabstimmung am Freitag können die Republikaner mit 51 Stimmen rechnen. Mit dem Votum hatten die Senatoren die Debatten über die Nominierung des erzkonservativen Juristen zum Richter auf Lebenszeit am Supreme Court beendet.

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Susan Collins will für Brett Kavanaugh stimmen.
Foto: REUTERS/Mary Calvert

Die Republikaner haben im Senat eine hauchdünne Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen gegenüber den oppositionellen Demokraten. Bei der Verfahrensabstimmung schlug sich die republikanische Senatorin Lisa Murkowski auf die Seite der Demokraten und stimmte gegen den Abschluss der Debatte, der Demokrat Manchin votierte mit den Republikanern dafür.

US-Kommentatoren betrachteten die Entwicklung bereits am Freitag als großen innenpolitischen Sieg für Trump. Die Mehrheit stark konservativer Juristen im Supreme Court könnte in absehbarer Zeit auch über die Frage entscheiden, ob etwa ein US-Präsident zur Aussage in einem Strafprozess gezwungen werden kann. Auch Entscheidungen zur Frage, wie Parteien den Zuschnitt von Wahlkreisen zu ihren Gunsten beeinflussen dürfen, könnten auf das Gericht zukommen.

Trump zeigte sich "sehr stolz" über die Entscheidung des Senats. Die Bestätigung seines Richterkandidaten wäre ein wichtiger Erfolg für den Präsidenten wenige Wochen vor den Kongresswahlen Anfang November.

Vor der Abstimmung lieferten sich die Senatoren erneut eine lebhafte Debatte. Der Republikaner Chuck Grassley, Chef des Justizausschusses im Senat, sprach von einer Vernichtungskampagne gegen Kavanaugh und von "linksgerichteten obskuren Geldgebern", die die Opposition antrieben.

Die Demokratin Dianne Feinstein erneuerte die Kritik ihres Lagers an Kavanaughs politischen Einstellungen: Trump habe versprochen, "Abtreibungsgegner, die das Recht auf Waffenbesitz verteidigen, für den Supreme Court zu ernennen". "Der Richter Kavanaugh erfüllt diese Kriterien."

Missbrauchsvorwürfe

Die Kritik an der Ernennung Kavanaughs für den Supreme Court hatte zugenommen, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen ihn laut wurden. Kavanaugh soll während seiner High-School- und Studienzeit mehrere Frauen sexuell belästigt haben. Der Jurist weist die Vorwürfe entschieden zurück. Die US-Bundespolizei FBI hat die Vorwürfe untersucht und einen vertraulichen Bericht vorgelegt. Die republikanischen Senatoren sehen Kavanaugh durch den Bericht entlastet. Dagegen bemängelten die demokratischen Senatoren die Untersuchung als "unvollständig" und "begrenzt".

Am Donnerstag hatten in Washington tausende Menschen nahe dem US-Kongress und dem Obersten Gerichtshof gegen den Richterkandidaten protestiert. Auf Plakaten forderten sie "Glaubt den Überlebenden" und "Verratet nicht die Frauen, stimmt mit Nein". 302 Protestteilnehmer wurden vorübergehend festgenommen, weil sie das Senatsgebäude betreten hatten, um Senatoren umzustimmen.

Trump unterstellte den Demonstranten, sie seien "bezahlt" worden, "um die Senatoren in ein schlechtes Licht zu rücken". "Schaut euch auch die identischen Plakate an", schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Diese seien vom ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros und anderen bezahlt worden. Für die Behauptung lieferte der US-Präsident keine Beweise. Soros unterstützt weltweit Nichtregierungsorganisationen, die sich für Menschenrechte oder Flüchtlinge einsetzen. (APA, 5.10.2018)