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Die Mehrheit für Kavanaugh bei der Abstimmung im US-Senat scheint sicher.

Foto: AP/Andrew Harnik

Die Bestellung von Brett Kavanaugh zu einem der amerikanischen Höchstrichter am Samstag war ein historischer Moment, wenn auch nicht im positiven Sinn: Der Supreme Court rückt damit ideologisch weiter nach rechts und verliert jeden Anschein parteipolitischer Unabhängigkeit. Für US-Präsident Donald Trump ist dies ein Triumph, für die Republikaner ein kalkuliertes Risiko, und für die Zukunft der amerikanischen Demokratie ein weiterer schwerer Schlag.

Dass Trumps Richterkandidat die Wahl im Senat gewinnen wird, war schon am Vortag klar, als die moderate republikanische Senatorin Susan Collins am Freitagabend erklärte, sie werde für Kavanaugh stimmen. Der demokratische Senator Joe Manchin schloss sich ihr sogleich an – aus taktischen Gründen, denn er steht vor einer schwierigen Wiederwahl im Trump-Staat West Virginia und hätte Kavanaugh ohnehin nicht mehr verhindern können.

Ja zu #MeToo und Kavanaugh

Collins erläuterte ihre Entscheidung mit ruhigen, überlegten Worten. Auch sie sei von der Zeugenaussage von Christine Blasey Ford, die Kavanaugh eine versuchte Vergewaltigung vor 36 Jahren vorwirft, beeindruckt gewesen und unterstütze die #MeToo-Bewegung. Aber es gebe keine Fakten, die den Vorfall belegen, und Kavanaugh habe ein Recht auf Unschuldsvermutung und Fairness.

Vielleicht hat Collins, eine Verfechterin des Rechts auf Abtreibung, recht, das Kavanaugh weniger extrem urteilen wird als von seinen Gegnern befürchtet. Seine bisherigen Urteile und Rechtsmeinungen geben hier allerdings wenig Grund zur Hoffnung. Vor allem aber ist der 53-Jährige stets als strammer Parteisoldat aufgetreten, sei es als Mitarbeiter bei den Untersuchungen gegen Bill Clinton, als Rechtsberater in der Regierung von George W. Bush, oder nun in seinen Senatsanhörungen.

Ein empörender Auftritt

Selbst wer der Meinung war, dass man einen erfahrenen Juristen nicht vorwerfen darf, was er als betrunkener Jugendlicher getan hatte, musste von seiner Verteidigungsrede entsetzt gewesen sein. Nach Blaseys Stellungnahme ging er in die zornig in die Offensive, warf den Demokraten und "den Clintons" eine Verschwörung gegen ihn vor und spielte seine eigenen jugendlichen Trinkgewohnheiten auf unehrliche Weise herunter. Allein dieser Auftritt habe ihn für das Höchstgericht disqualifiziert, sagte sogar der frühere Höchstrichter John Paul Stevens, selbst ein Republikaner.

Doch die Republikaner hielten zu ihm. Dass Trump sich in einem Wahlkampfauftritt über Blasey Ford lustig machte und dieser Videoclip die Basis begeisterte, hat ihre Entschlossenheit noch weiter verstärkt. Zuletzt machte Trump den Milliardär George Soros – wie es auch Ungarns Premier Viktor Orbán ständig tut – für die Proteste verantwortlich. Kavanaugh wird Trumps Mann im Supreme Court sein – und dies für viele Jahrzehnte.

Erzkonservative Mehrheit einzementiert

Er wird die erzkonservative Mehrheit dort einzementieren. Sein Vorgänger Anthony Kennedy hat noch gelegentlich gegen die Parteilinie gestimmt, etwa bei der Abtreibung und der Homoehe. Vor allem ist zu befürchten, dass die Regeln für Wahlen weiter zugunsten der Republikaner abgeändert werden, etwa bei der Einteilung von Wahlbezirken oder der Wahlkampffinanzierung. Und vielleicht wird Kavanaugh auch Trump selbst noch vor juristischem Ungemach bewahren.

Damit verliert das Höchstgericht den Anschein der Unparteilichkeit und wird die Polarisierung der amerikanischen Politik weiter verstärken.

Die Demokraten erwarten sich nun Auftrieb bei den Midterm-Wahlen im November; die Empörung über Kavanaugh is vor allem bei Frauen hoch und sollte die Parteibasis motivieren, zur Wahl zu gehen. Doch auch die Republikaner hoffen auf eine Stärkung für ihre Kandidaten. Schließlich hätten sie gemeinsam mit Trump gezeigt, dass sie ihre Ziele durchsetzen können.

Weitere Untersuchungen gegen Kavanaugh

Durch Kavanaughs Bestellung gerät das gesamte Höchstgericht ins Zwielicht. Die Demokraten werden nicht lockerlassen. Wenn sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen, werden die Untersuchungen gegen Kavanaugh fortführen und möglicherweise ein Impeachment versuchen. Die letzte politische Institution in Washington, die ihr Ansehen zuletzt noch bewahren konnte, wird so selbst zum politischen Spielball – und das wahrscheinlich noch viele Jahre nach der Trump-Präsidentschaft.

2016 hat die republikanische Senatsführung Präsident Barack Obama auf verfassungswidrige Weise die Ernennung eines Höchstrichters verwehrt. Sie hat damit zum Wahlsieg Trumps beigetragen und nun ihr Ziel erreicht: Das Höchstgericht wird zur reaktionären Bastion in einer zunehmend liberalen Nation. Aber der politische und moralische Preis ist hoch und droht die USA auf eine Generation hinaus zu belasten. (Eric Frey, 6.10.2018)