Bei den Kommunalwahlen in Tschechien konnte sich die liberal-populistische Partei Ano von Premierminister Andrej Babiš in den meisten größeren Städten als stimmenstärkste Kraft etablieren. Insgesamt ist es der Partei damit gelungen, ihre derzeit führende Stellung in der tschechischen Politik zu festigen.

Die Wahl galt auch als Stimmungstest für Babišs Minderheitsregierung. Die Koalition von Ano mit den Sozialdemokraten (ČSSD) hat – mit Unterstützung durch die Kommunisten (KSČM) – erst im Juli das Vertrauen des Abgeordnetenhauses erhalten. Allerdings traten bei den Kommunalwahlen wie gewohnt viele lokale Gruppierungen und Parteienbündnisse an. Zudem spielen dort meist konkrete Persönlichkeiten eine zentrale Rolle, unabhängige Kandidaten werden auch diesmal wieder die Mehrheit der Mandate in den über 6000 Gemeindevertretungen einnehmen.

Kopf-an-Kopf-Rennen in Prag

In Tschechien wird traditionell am Freitag und Samstag gewählt. Auf einer Pressekonferenz am Samstagabend sprach Babiš von einem "großen Erfolg unserer Bewegung". Zurückhaltend war Babiš jedoch bei der Bewertung des Ergebnisses in der Hauptstadt Prag. Und das mit gutem Grund: In Prag zeichnete sich bereits nach Auszählung von etwa der Hälfte der Wahlbezirke ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen gleich fünf Parteien beziehungsweise Bündnissen ab: der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der Piratenpartei, einer Vereinigung unabhängiger Kandidaten, einem Bündnis der liberal-konservativen Partei Top 09 mit den Christdemokraten (KDU-ČSL) und eben Ano.

Ano hatte das Prager Rathaus erst 2014 erobert. Oberbürgermeisterin wurde damals Adriana Krnáčová, die ehemalige Direktorin der tschechischen Zweigstelle von Transparency International. Sie hatte sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geheftet, blieb in der Kommunalpolitik jedoch weitgehend glücklos. Viele kritisierten sie für mangelnde kommunikative Kompetenz – nicht nur im Kontakt mit den Bürgern, sondern auch innerhalb der eigenen Rathausfraktion. Schließlich ging auch Parteichef Babiš zu Krnáčová auf Distanz. Ano-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters wurde der 41-jährige Unternehmer Petr Stuchlík.

"Digitale Metropole"

Die vor allem in Prag erfolgreichen Piraten wiederum sprechen insbesondere ein jüngeres, urbanes, Web-affines Publikum an, stellen sich jedoch inhaltlich breit genug auf, um für eine größere Wählerbasis attraktiv zu sein: Die Forderung nach einer "digitalen Metropole" mit transparenter Verwaltung und einer weitestgehend online abgewickelten Bürokratie trifft den Nerv vieler liberal gesinnter Gewerbetreibender in der Hauptstadt. Gleichzeitig propagieren die Piraten eine umweltfreundliche Metropole, versprechen "Maßnahmen gegen den Betondschungel" und fischen damit auch unter den Sympathisanten der zuletzt erfolglosen Grünen.

Die konservativen Bürgerdemokraten (ODS) schließlich waren lange Jahre die tonangebende politische Kraft in Prag gewesen. Nach zahlreichen Korruptionsaffären stürzte die Partei bei den Wahlen 2014 spektakulär ab und landete mit weniger als elf Prozent nur mehr auf Platz vier. Im bürgerlichen Sektor wurde sie damals von Top 09 abgelöst, nun ist der ODS mit 17,9 Prozent und Platz eins in Prag ein kleines Comeback gelungen – wenn auch in einer veränderten Parteienlandschaft, in der schließlich gleich fünf Gruppierungen mit jeweils zwischen 15 und 18 Prozent annähernd gleichauf zu liegen kamen.

Andere Parteien sind im Prager Rathaus nicht mehr vertreten. Das gilt auch für die Sozialdemokraten, die mit Ano in einer Regierungskoalition sind. Sie erlitten auch in den meisten anderen größeren Städten des Landes ein Debakel. Auch die weit rechts stehende Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD), die auf Plakaten mit dem Bild von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geworben hatte, blieb hinter den eigenen Erwartungen zurück.

Teilwahlen zum Senat

Mit der ersten Runde der Teilsenatswahlen stand am Freitag und Samstag auch ein Urnengang mit überregionaler Bedeutung auf dem Programm: 27 der insgesamt 81 Sitze im Senat, der oberen Kammer des tschechischen Parlaments, werden im Direktwahlsystem neu vergeben. Die Stichwahlen zwischen den beiden jeweils stimmenstärksten Kandidaten finden in einer Woche statt. Nur in zwei Wahlkreisen brachte bereits die erste Runde eine absolute Mehrheit für einen Kandidaten: Im mährischen Vsetín steht der Christdemokrat Jiří Čunek als Sieger fest. Im Wahlkreis Prag 4 konnte sich Jiří Drahoš durchsetzen, der bei der Präsidentschaftswahl im Jänner gegen Amtsinhaber Miloš Zeman unterlag und nun von einigen bürgerlichen Parteien sowie von den Grünen unterstützt wurde.

Die meisten Senatsmandate, nämlich zwölf, hatten diesmal die Sozialdemokraten (ČSSD) zu verteidigen – und damit auch zu verlieren. Die ČSSD kämpfte obendrein darum, die Stellung als stärkste Senatsfraktion und damit den Posten des Senatspräsidenten zu behalten. Sie darf diesmal jedoch nur fünf Kandidaten in die Stichwahl schicken.

Unterschiedliche Ausgangslagen

Anders die Ausgangslage für Ano: Die Partei von Premier Andrej Babiš verfügt über kein einziges der 27 Senatsmandate, die diesmal neu besetzt werden, und konnte somit eigentlich nur gewinnen. In der zweiten Runde wird sie mit elf Kandidaten vertreten sein.

Hintergrund der ungleichen Startpositionen ist das Prinzip der Drittelerneuerung im tschechischen Oberhaus: Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatorinnen und Senatoren auf jeweils sechs Jahre gewählt. Die Wahlkreise, die diesmal an der Reihe sind, haben also zuletzt 2012 ihre Kandidaten in den Senat geschickt. Ano, heute die stärkste Regierungspartei, war damals noch eine junge Bewegung – und blieb ohne jeden Erfolg. (Gerald Schubert aus Prag, 6.10.2018)