Auch unbestätigte Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, wie etwa gegen US-Höchstrichter Brett Kavanaugh, sind für Arbeitgeber ein Problem.

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Es ist ein echtes Dilemma für Arbeitgeber: Plötzlich werden Mitarbeiter strafbarer Handlungen beschuldigt, die mit dem aktuellen Dienstverhältnis überhaupt nichts zu tun haben. Wie soll ein Unternehmen gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter reagieren, wie gegenüber der Öffentlichkeit, wie gegenüber anderen Mitarbeitern?

Die Vorwürfe gegen den US-Höchstrichter Brett Kavanaugh oder den ORF-Moderator Roman Rafreider zeigen, dass auch Verhalten im persönlichen Bereich unangenehme Folgen für einen Arbeitgeber haben kann.

Strafbare Handlungen, die mit dem Dienstverhältnis in keinem Zusammenhang stehen, stellen nur ausnahmsweise einen Entlassungsgrund dar. Die Straftat muss so beschaffen sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Es muss sich dabei entweder um eine sehr schwere Straftat handeln (z. B. schwere Körperverletzung, sexuellen Missbrauch) oder um Delikte, die mit der Vertrauensposition eines Mitarbeiters gänzlich unvereinbar sind (z. B. Veruntreuungen durch einen Kassamitarbeiter).

Damit eine Entlassung rechtmäßig ist, muss feststehen, dass der Mitarbeiter die behauptete Straftat tatsächlich begangen hat. Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus.

Nicht nur mediale Vorwürfe

Eine formale strafgerichtliche Verurteilung ist zwar nicht erforderlich, aber der Arbeitgeber muss zumindest durch eigene Nachforschungen feststellen, dass der erhobene Verdacht hinreichend begründet ist. Sich auf mediale Berichterstattung über die angebliche Straftat zu stützen wird zu wenig sein. Falls aber etwa den Medien zugespielte Polizeiberichte oder Einvernahmeprotokolle vorliegen, die den Verdacht erhärten, kann dies für die Entlassung ausreichen.

Je länger die vorgeworfenen Ereignisse zurückliegen, desto schwieriger wird es für den Arbeitgeber, belastbares Material zu finden. Eine Verjährung der Tat ändert aber nichts an den arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten: Wenn der Mitarbeiter aufgrund der bekanntgewordenen Taten vertrauensunwürdig wird, kann das Unternehmen trotz der langen Zeitspanne eine Entlassung aussprechen.

Ein Sexualstraftäter wird bis zur Pensionierung mit einer Entlassung rechnen müssen, wenn er versucht, in der Kinderbetreuung beruflich Fuß zu fassen. Allerdings wird man bei verjährten Taten einen strengeren Maßstab für die Vertrauensunwürdigkeit anlegen müssen.

Hat der Arbeitgeber Kenntnis davon erlangt, dass der Mitarbeiter eine entlassungswürdige Straftat begangen hat, muss er sofort die Entlassung aussprechen. Denn auch hier gilt der Unverzüglichkeitsgrundsatz: Jegliche Sanktionsmöglichkeit ist dem Arbeitgeber genommen, wenn er von den Verdächtigungen bereits früher informiert wurde und nicht darauf reagiert hat.

Hat also beispielsweise der Mitarbeiter im Zuge des Vorstellungsgesprächs auf kolportierte Verdächtigungen hingewiesen, ist das spätere Breittreten des Verdachts in den Medien, ohne dass weitere Beweise vorgelegt werden, kein Entlassungsgrund.

Freistellung

Bei schweren Vorwürfen ist es aus Unternehmenssicht oft ratsam, den beschuldigten Mitarbeiter bis zur hinreichenden Abklärung der Vorwürfe – bezahlt – vom Dienst freizustellen. Eine solche Freistellung bedarf keiner Begründung. Anschließend – also etwa nach dem Abschluss des Strafverfahrens – muss allerdings unverzüglich die Entlassung ausgesprochen werden.

Lassen sich die Vorwürfe weder gerichtlich noch durch den Arbeitgeber hinreichend bestätigen, um eine Entlassung auszusprechen, kann sich das Unternehmen natürlich in Form einer Kündigung vom Mitarbeiter trennen. Ein verpöntes Kündigungsmotiv liegt in diesem Fall nicht vor.

Handelt es sich bei den vorgeworfenen Straftaten um Sexualdelikte, können nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) auf den Arbeitgeber Schutzpflichten gegenüber anderen Mitarbeitern zukommen. Ist aufgrund der (vorgeworfenen) Sachlage klar, dass von einem Kollegen eine erhöhte Gefahr ausgeht, ist der Arbeitgeber zu verstärkten Schutzmaßnahmen verpflichtet.

Diese können darin bestehen, dass der beschuldigte Mitarbeiter an einen anderen Arbeitsplatz versetzt wird oder eine enge Zusammenarbeit mit Personen des anderen Geschlechts, etwa auf Dienstreisen, unterbunden wird. Vernachlässigt ein Arbeitgeber diese Verpflichtung, kann er schadensersatzpflichtig werden.

Schutz der Kollegen

Umgekehrt ist ein Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem beschuldigten Mitarbeiter auch verpflichtet, ihn vor Angriffen von Kollegen zu schützen und seine Persönlichkeitsrechte sowie Privatsphäre zu wahren.

Dieser Pflicht würde es z. B. zuwiderlaufen, persönliche Informationen über den Mitarbeiter an die Medien weiterzugeben oder gar mediale oder betriebsinterne Gerüchte durch entsprechende Bemerkungen zu befeuern. Verletzt der Arbeitgeber diese Pflichten, drohen ihm Schadenersatzansprüche und arbeitsrechtliche Konsequenten, z. B. ein vorzeitiger Austritt des Mitarbeiters.

Die erste Reaktion des Arbeitgebers auf medial oder anderweitig kolportierte Vorwürfe einer Straftat sollte jedenfalls das offene Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter sein. Eine gute Dokumentation des Gesprächs sollte dabei ebenso selbstverständlich sein wie die Involvierung des Betriebsrates oder einer Vertrauensperson, falls dies der Mitarbeiter wünscht. (Philipp Maier, 9.10.2018)