Pamela Rendi-Wagner eilt wieder einmal zu einem Pressestatement, flankiert wird sie dabei von Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.

Foto: Christian Fischer

Pamela Rendi-Wagner wollte sich mit dem, was hinter ihr liegt, gar nicht erst aufhalten. Das sei keine unaufgeregte Zeit gewesen, spielte sie die Ereignisse der vergangenen Tage herunter, jetzt gelte es nach vorne zu blicken. Der SPÖ ist in kurzer Abfolge nicht nur der Parteichef abhandengekommen, für den Rendi-Wagner selbst eingesprungen ist, sondern auch der Spitzenkandidat für die EU-Wahl, beides in Person von Christian Kern, der sich als recht wankelmütiger Politiker präsentiert hatte und jetzt gar kein Politiker mehr sein mag.

Wohl auch um die Debatten abzukürzen und in Zaum zu halten, einigte sich das Präsidium der SPÖ am Sonntag auf einen Ersatzmann für Kern als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl. Andreas Schieder ist wenig überraschend der willige Einspringer. Schieder war in Wien Michael Ludwig als SPÖ-Chef und Bürgermeister unterlegen, zuletzt musste er als Klubchef der SPÖ im Parlament Platz für Rendi-Wagner machen. Diese lobte ihn als Europakenner mit internationaler Erfahrung. Für den zweiten Platz der Kandidatenliste hat das Parteipräsidium die bisherige Europaparlamentarierin Evelyn Regner vorgesehen.

SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner bezeichnete Andreas Schieder, den ehemaligen geschäftsführenden Klubobmann der SPÖ, am Sonntag als ausgewiesenen Europakenner.
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Formal abgesegnet werden soll die Liste bei einem Parteitag Ende November in Wels. Bei dieser Gelegenheit soll auch Rendi-Wagner offiziell zur neuen Parteivorsitzenden gewählt werden.

Handicap als Ersatzkandidat

Schieder selbst erklärte, sich voll auf das Thema Soziales konzentrieren zu wollen: "Wer soziale Gerechtigkeit will, wird die SPÖ ankreuzen müssen", verkündete er. Ein Handicap darin, nur ein Ersatzkandidat zu sein, sieht Schieder nicht. Wahlkampf sei immer schwer.

Nach Gerüchten befragt, wonach Kern damit spekuliert habe, mit einer parteiunabhängigen Liste bei der EU-Wahl anzutreten oder Koalitionen mit anderen Fraktionen zu suchen, antwortete Rendi-Wagner ausweichend. Man müsse auf sozialdemokratischer Ebene in Europa enger zusammenarbeiten, aber innerhalb der Fraktion. Im Wahlkampf werde es seitens der SPÖ keine Zusammenarbeit mit anderen Parteien geben, es müsse eine ganz klare Positionierung geben, betonte Rendi-Wagner. Erst nach der Wahl könne man über allfällige Koalitionen oder Allianzen nachdenken.

Abrechnung mit Kern

Eine Art der Abrechnung mit Kern gab es am Sonntag bei der Präsidiumskonferenz der SPÖ am Kahlenberg. Dort wurde die Statutenreform, die von Kern auf Schiene gebracht worden war und am Parteitag hätte beschlossen werden sollen, abgesagt oder zumindest verschoben. Betrieben hatte das Wiens Landesparteichef und Bürgermeister Michael Ludwig, der sich vor allem gegen die geplante Befristung von Mandaten auf zehn Jahre wehrt. Kern hatte das als Revolte der Parteispitze gegen das Parteiestablishment bezeichnet. So hätte frischer Wind in die SPÖ kommen sollen. In dieser Frage war es zu einem zentralen Zerwürfnis mit dem Funktionärskader der SPÖ gekommen. Rendi-Wagner soll nun selbst Vorschläge für ein neues Parteistatut machen. Was bleibt, sind die Gastmitgliedschaften in der SPÖ.

Ständiger Kontakt – mit Lücken

Rendi-Wagner berichtete am Sonntag, sie selbst sei in der vergangenen Woche mit Kern laufend in Kontakt gestanden, sie habe gewusst, dass er überlege, auch die Kandidatur für das Europaparlament hinzuhauen. Dass er eine Entscheidung gefällt habe, habe sie am Freitag erfahren, offenbar aber nicht von ihm. Informiert wurde sie von ihm erst am Samstag um acht Uhr morgens, Stunden bevor Kern in einer persönlichen Erklärung in der Löwelstraße seinen kompletten Rückzug aus der Politik bekanntgab.

Er wolle nun doch nicht als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl antreten, erklärte Kern. "Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker."

Innenpolitisches Klein-Klein

In der Partei wurde Kern attestiert, nicht stabil zu sein, er selbst begründete seinen Rückzug damit, dass er sich auch nach dem angekündigten Wechsel in die EU-Politik der innenpolitischen Debatte nicht entziehen konnte. Die Diskussion um seine Person habe den Start der neuen Parteiführung überlagert. Dass es in der SPÖ Intrigen gegen seine Person gegeben habe, stellte Kern nicht in Abrede.

Offenbar hat es aus der Wiener Landesgruppe, aber auch aus der burgenländischen massive Intrigen gegen Kern gegeben, er selbst sagt, er wolle keine Belastung für die Partei sein.

Die EU-Wahl erachte er zwar nach wie vor als extrem wichtig und als "Schlacht der Schlachten um die Zukunft unseres Kontinents", er habe aber erfahren müssen, "dass es als ehemaliger Regierungschef nicht möglich ist, die innenpolitische Bühne zu verlassen", sagte Kern etwas kryptisch. Damit habe er der Diskussion über Europa nicht mehr Gewicht geben können, sondern eine Fortsetzung des "innenpolitischen Klein-Kleins" erlebt. (Michael Völker, 7.10.2018)