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Željko Komšić (Kroaten) sicherte sich knapp 50 Prozent der Stimmen. Er werde "allen Bürgern dienen", verkündete er.

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"Mein Sieg ist klar wie eine Träne", erklärte Milorad Dodik. Laut Wahlkommission erhielt er 55 Prozent der Stimmen.

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Nach der Auszählung der Stimmen aus gut 43 Prozent der Wahllokale teilte die Wahlkommission kurz nach Mitternacht mit, dass Šefik Džaferović unter den bosniakischen Kandidaten mit rund 38 Prozent in Führung liege.

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Sarajevo – Bei den Präsidenten-, Parlaments- und Kantonalswahlen in Bosnien-Herzegowina musste der Präsidentschaftskandidat der völkisch orientierten kroatischen HDZ, Dragan Čović, am Sonntag eine Schlappe hinnehmen. Bei der letzten Wahl 2014 hatte der Nationalist noch klar gewonnen. Auch damals hatte er als kroatischer Vertreter für das dreiköpfige Staatspräsidium kandidiert. Nun wurde als kroatischer Vertreter der Chef der Demokratischen Front, Željko Komšić, gewählt. Der sieht sich als Vertreter aller Bosnier, er denkt nicht völkisch, sondern ist so etwas wie ein Sozialdemokrat.

In Bosnien und Herzegowina wurde der völkische Nationalist Milorad Dodik als Vertreter der Serben ins Staatspräsidium gewählt. Als Vertreter der Kroaten bekam der Sozialdemokrat Željko Komšić die meisten Stimmen – viele davon von Bürgern mit muslimischen Namen.
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In Bosnien-Herzegowina fühlt sich die Mehrheit der Bevölkerung den drei Volksgruppen Serben, Bosniaken und Kroaten zugehörig. Es gibt aber auch Bürger, die sich einfach als Bosnier verstehen und denen diese Zugehörigkeit zu Gruppen nicht wichtig ist. Die Gruppen definieren sich über die Vor- und Nachnamen. Wenn die Namen katholisch sind, fühlen sich viele den Kroaten zugehörig, wenn sie orthodox sind, den Serben, wenn sie muslimisch sind, den Bosniaken. Dieses völkische Denken dominiert die meisten Staaten auf dem Balkan.

Čović, der sichtlich geschockt vor die Presse trat, schob nun die Tatsache, dass er die Wahl verloren hat, auf die Bosniaken. Diese hätten zwei Mitglieder des Staatspräsidiums gewählt. Politiker wie Čović denken, dass es illegitim ist, wenn Bürger mit muslimischen Namen Politiker mit katholischen Namen wie Komšić wählen. "Die Bosniaken können nicht für die Kroaten ihre legitimen Vertreter wählen, das ist der Weg des Abstiegs, das ist nicht der europäische Weg", sagte Čović.

"Beispiellose Krise"

Er stellt grundsätzlich infrage, dass Komšić "die Kroaten" vertreten kann. Der Streit um die Vertretungsfrage ist uralt. Komšić wurde bereits 2006 und 2010 als kroatischer Vertreter ins Staatspräsidium gewählt. Schon damals gab es scharfe Kritik von der HDZ, die denkt, sie habe den Alleinvertretungsanspruch für die Kroaten in Bosnien-Herzegowina. Čović drohte noch am Sonntagabend mit Konsequenzen und meinte, es könne nun eine "beispiellose Krise" ausbrechen. Der Hintergrund: Vor der Wahl sollte eigentlich das Wahlgesetz geändert werden.

Denn das Verfassungsgericht urteilte im Dezember 2016, dass die Entsendung von Vertretern der "ethnischen Gruppen" (Bosniaken, Serben, Kroaten) ins Haus der Völker, eine Kammer des Parlaments des Landesteils Föderation, geändert werden müsse. Die bosnische HDZ will dort zahlenmäßig stärker vertreten sein und erreichen, dass praktisch nur HDZ-Mitglieder und keine anderen Kroaten entsendet werden. Das Wahlgesetz wurde aber nicht geändert, weil Čović sich mit keinem Vorschlag zufrieden gezeigt hatte. Deshalb könnte er nun die Wahlen anfechten. Das würde zu einer Verfassungskrise führen, weil keine Parlamente und Regierungen gebildet werden könnten.

Trend

Als Vertreter der Bosniaken gewann der Jurist Šefik Džaferović von der größten bosniakischen Partei, der ebenfalls völkisch orientierten SDA, knapp vor dem Sozialdemokraten Denis Bećirović. Im Vergleich zur Wahl 2014 bekam der SDA-Kandidat aber deutlich weniger Stimmen. Auch das zeigt den Trend, dass sozialdemokratisch orientierte Politiker im Landesteil Föderation gegenüber völkisch orientierten gewinnen. Zum serbischen Vertreter im Staatspräsidium wurde der bisherige Präsident des Landesteils Republika Srpska, Milorad Dodik, gewählt. Dodik ist ein extrem völkisch orientierter Politiker, der den Staat Bosnien-Herzegowina zerstören will und die Unabhängigkeit der Republika Srpska forciert.

Dodik ist Chef der Partei SNSD, die auch in der Republika Srpska eine dominante Rolle einnimmt. Sein Herausforderer Mladen Ivanić saß bisher als serbischer Vertreter im Staatspräsidium. Dodik sagte, dass Ivanić "nicht einmal die muslimischen Stimmen aus dem Ausland helfen werden". Er meinte: "Dieser Sieg ist rein wie eine Träne." Ivanić sei für seine Knechtspolitik gegenüber dem Westen bestraft worden. Er selbst werde die Flagge der Republika Srpska vor das Staatspräsidium stellen, wenn er den Vorsitz habe, und sich in erster Linie der Republika Srpsa verpflichtet fühlen.

Dodik trat erstmals als Kandidat für das Staatspräsidium an. Er kündigte vor der Wahl an, nicht selbst nach Sarajevo zu gehen – wo der Sitz des Staatspräsidium ist –, sondern einen Vertreter zu schicken oder via Skype mit den anderen beiden Mitgliedern zu kommunizieren. (Adelheid Wölfl, 8.10.2018)