Die US-Amerikaner Paul Romer und William Nordhaus untersuchen in ihrer Forschung, wie nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Klimaschutz kombiniert werden können.

Wien – Da sage noch einer, die Ökonomie sei kein selbstkritisches, kein streitbares Fach. Die höchste Auszeichnung, die Wirtschaftswissenschaftern vorbehalten ist, die als Wirtschaftsnobelpreis bezeichnete Trophäe der schwedischen Nationalbank, geht dieses Jahr an die US-Ökonomen William Nordhaus und Paul Romer. Beide haben sich unter Kollegen nicht nur Freunde, sondern eine beachtliche Liste an Feinden gemacht.

Paul Romer hatte vor allem als Chefökonom der Weltbank für Kontroversen gesorgt. In seiner kurzen Amtszeit in der Washingtoner Institution setzte er sich für eine klarere Sprache und weniger Floskeln in Weltbank-Berichten ein. Der Kampf gipfelte im Frühjahr 2017 in einer E-Mail, in der er seinen Mitarbeitern eine Art Dienstanweisung dazu erteilte, wie oft sie das Wort "und" verwenden dürfen. Sollten in einem Text mehr als 2,6 Prozent der Wörter auf "und" entfallen, sei die Publikation nicht erlaubt, so Romer, der damit glaubte, kürzere sowie prägnantere Texte zu fördern.


Die Mail wurde an die US-Presse geleakt und löste einen Miniskandal um die Art und Weise aus, wie der Chefökonom der Weltbank seinen Job ausübt. Kurze Zeit später, im Jänner 2018, war der US-Amerikaner seinen Job in der Weltbank auch schon los.

Er hatte seinen Kollegen die Manipulation des wichtigsten Weltbank-Berichtes, des Doing Business Reports, vorgeworfen. Der Doing Business Report vergleicht Jahr für Jahr, wie wettbewerbsfähig Länder sind. Innerhalb der Weltbank ist es ein offenes Geheimnis, dass der Bericht keinen strikt ökonomischen Vorgaben folgt, sondern auch politische Kriterien miteinbezieht. Ein Weltbank-Mitarbeiter schilderte dem STANDARD etwa, dass es eine Vorgabe gibt, die Ukraine tendenziell besser zu bewerten, weil das Land sich politisch nach Westen hin orientiert. Die umgekehrte Vorgabe soll demnach lange Zeit für Weißrussland gegolten haben, weil das Land sich politisch an Russland anlehnt.

Rücktritt Romers

Romer hatte in einem Interview mit dem Wall Street Journal offenherzig erzählt, dass dieses Spiel unter seinem Vorgänger auch mit Chile gespielt wurde: In der Amtszeit der Sozialistin Michelle Bachelet an der Staatsspitze sei Chile tendenziell schlechter bewertet worden. Kurz nach dem Interview gab er an, falsch verstanden worden zu sein. Es half nichts mehr, er musste zurücktreten.


Nobel Prize

Ausgezeichnet wurde Romer natürlich nicht für seine Kritik an Kollegen, sondern für seine Arbeiten zur Wachstumstheorie. Ökonomen haben bis heute nur eine vage Vorstellung darüber, wie Wachstum entsteht, warum einige Volkswirtschaften extrem schnell und andere sehr langsam wachsen. In früheren Modellen wurde nur der Einsatz von Arbeit und Kapital untersucht. "Romer war der Erste, der sich Gedanken dazu gemacht hat, wie man Innovation in wirtschaftliche Modelle einbeziehen kann", sagt der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher.

Romer hat vor allem in den frühen 1990er-Jahren dazu geforscht. Laut Kocher hat er wesentlich dazu beigetragen, dass heute unumstritten sei, dass das Bildungsniveau einer Gesellschaft und die Qualität von Institutionen eine wichtige Rolle dabei spielen, wie gut sich eine Volkswirtschaft entwickelt. "Aus heutiger Sicht erscheint das wie eine triviale Erkenntnis. Vor Romers Zeiten war das nicht der Fall", so Kocher.


IIASA

Romers ebenfalls ausgezeichneter Kollege William Nordhaus dagegen hat sich bereits früh kritische Gedanken zur Wachstumstheorie gemacht. Das Wirtschaftswachstum (BIP) nimmt auf ökologische Aspekte keinerlei Rücksicht. Auch der Output eines Unternehmens mit extrem umweltschädlichen Produkten leistet ausschließlich einen positiven Beitrag zum BIP. "Nordhaus war einer der Ersten, der das kritisch diskutiert hat. Und er war extrem erfinderisch dabei, nach Alternativen zu klassischen BIP-Berechnungen zu suchen", sagt Kocher.


DER STANDARD

Der Preis der schwedischen Nationalbank ist mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 870.000 Euro) dotiert. Verliehen wird er seit 1968, damals stiftete die schwedische Reichsbank den Preis nachträglich zum klassischen Nobelpreis. (Andras Szigètvari, 8.10.2018)