Bild nicht mehr verfügbar.

Der Enverge in voller Pracht. In Europa wird man ihn nicht bekommen.

Foto: Reuters/Tessier

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch der K-ZE ist nicht für Europa gedacht. Das nur rund 11.000 Euro teure Elektrogefährt ist auch den chinesischen Markt zugeschnitten.

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

"Enverge" sieht schnittig aus und beschleunigt auch in 4,4 Sekunden auf 100 Stundenkilometer. Das neuste vollelektrische Modell des chinesischen Herstellers GAC Motor ist für den nordamerikanischen Markt gedacht; es zieht aber auch auf der Pariser Automesse (bis 14. Oktober) die Blicke an, obwohl darum keine Publicity betrieben wird.

Renault-Chef Carlos Ghosn hatte demgegenüber fast Mühe, sein eigenes Elektromodell bei seinem Pariser Heimspiel gebührend anzupreisen. "K-ZE" hat für europäische Ohren auch einen unaussprechlichen Namen. Das nur rund 11.000 Euro teure Elektrogefährt ist aber gar nicht für den europäischen Markt gedacht. Renault und Nissan produzieren es mit ihrem chinesischen Partner Dongfeng in Wuhan für den chinesischen Markt.

Zukunft der Industrie

Denn dort entscheidet sich gerade die längerfristige Zukunft der Autoindustrie. Das behauptet jedenfalls France Stratégie in einem Bericht zur Pariser Automesse. "Im Verlauf eines Jahrzehnts hat es China geschafft, mit den Elektrofahrzeugen einen Industriezweig aus dem Nichts aufzubauen, der bald einmal die Karten des internationalen Automarktes neu verteilen könnte", schätzt der staatliche Pariser Thinktank.

Dass Peking auf die E-Technologie setzt, hat demnach erst in zweiter Linie ökologische Gründe, etwa die Luftverschmutzung in den chinesischen Megastädten durch fossile Brennstoffe. Vorab gehe es darum, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern und die westliche Autoindustrie zu konkurrenzieren, meint Bérengère Mesqui von France Stratégie. Die Chinesen wüssten, dass sie ihren Technologierückstand bei den herkömmlichen Verbrennermotoren kaum aufholen könnten. Umso mehr setzten sie auf die E-Zukunft. Zu diesem Zweck hätten sie genaue Produktionsziele festgelegt, Subventionen verteilt, Joint Ventures mit Westkonzernen gegründet und Zollschranken aufgebaut.

Der große Plan

Das Ganze mit Erfolg: 2018 dürfte China rund eine Million Elektroautos absetzen, mehr als die Hälfte aller weltweit verkauften Modelle, mehr auch als alle bisherigen Marktleader USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Norwegen oder Japan zusammen. 2020 lautet das chinesische Plansoll zwei Millionen E-Autos, was eine Verdoppelung binnen zweier Jahre bedeuten würde. Für 2030 lautet das Ziel 16 Millionen.

2020 will China auch schon 4,8 Millionen Ladestationen über das ganze Land verteilt haben. Heute sind es deren 280.000 – ein Zeichen, wie rasant das chinesische Regime die E-Mobilität im Land vorantreibt. Dazu gehören nicht nur die Fahrzeuge selbst, sondern auch zwei verbundene Sparten: Bei den Batterien hat die chinesische Catl mit einem Marktanteil von 23,7 Prozent heuer die bisherige japanische Marktleaderin Panasonic überholt; und bei den Bordcomputern legen es eine Reihe chinesischer Start-up-Firmen wie NOI sehr gezielt darauf an, in wenigen Jahren zu internationalen Großanbietern zu werden.

Durchbruch für E-Technologie

Industriepolitisch trägt dieses umfassende Vorgehen bereits Früchte, wie France Stratégie festgestellt hat. Das Volumen verkaufter Elektroautos mache die Startsubventionen schon hinfällig. China sei im Bereich E-Mobilität zudem nicht länger auf Hightech-Kooperationen mit westlichen Firmen angewiesen und könne die Importhürden abbauen. Insofern stelle das Jahr 2018 für die chinesische E-Technologie "bereits einen wichtigen Durchbruch" dar, meinte die Beratungsstelle der französischen Regierung.

An die Mindestabsatzquoten, mit der China den Herstellern einen Mindestanteil an alternativen Antrieben in Produktion und Verkauf abverlangt, sind die ausländischen Anbieter allerdings weiterhin gebunden. Aus diesem Grund bringt Renault nun ein erstes E-Fahrzeug allein am chinesischen Markt heraus. Alle westlichen Hersteller sind laut France Stratégie "gezwungen, ihre Position im Weltmarkt zu revidieren".

Carlos Tavares, Vorstandschef des PSA-Konzerns (Peugeot, Citroën, DS und Opel), zeigte sich am Autosalon bereit für die Herausforderung des chinesischen E-Marktes. Hingegen erklärte er, die Europäer müssten unbedingt eine starke Batterieindustrie aufbauen, da in dieser neuen Technologie alles zusammenhänge. An den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewandt, forderte er die Bildung eines ähnlichen Strategieplans, wie er vor Jahrzehnten schon der europäischen Raumfahrt auf die Sprünge geholfen habe. (Stefan Brändle, 8.10.2018)